Mönchengladbach In Gladbach endete der Krieg zwei Monate früher

Mönchengladbach · Vor 70 Jahren besetzen amerikanische Truppen Rheydt und Mönchengladbach. Vorher gab es mehrere Bombardements.

Ende des Zweiten Weltkriegs in Mönchengladbach
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Ende des Zweiten Weltkriegs in Mönchengladbach

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Donnerstag, 1. März 1945: Für die beiden Städte Mönchengladbach (damals noch München-Gladbach) und Rheydt ist der Zweite Weltkrieg zu Ende. Die amerikanische 9. Armee rückt in die beiden Städte ein, ohne auf größeren Widerstand zu treffen. Um 10.25 Uhr erreichen die amerikanischen Soldaten den Rheydter Marienplatz, um 14 Uhr den Alten Markt in Mönchengladbach. Um 15 Uhr verlässt der frühere Hardter Bürgermeister Alexander Scharff mit einer weißen Fahne in der Hand den Bunker am Kapuzinerplatz. Als ranghöchster Repräsentant übergibt er die Stadt, die zu großen Teilen in Schutt und Asche liegt.

Die Eroberung der Doppelstadt Mönchengladbach-Rheydt ist von den Alliierten lange vorbereitet worden. Man erwartet starken Widerstand und will die Städte vor der Eroberung einkesseln. Im Rahmen der Operation Grenade rücken seit dem 23. Februar 1945 rund 250 000 amerikanische Soldaten auf niederrheinisches Gebiet vor. Vorbereitet und unterstützt wird die Operation von einer verheerenden Bombenoffensive. Unter anderem sind Rheindahlen und Wickrath Ziele der Angriffe. Die Zerstörungen sind immens.

Zuerst trifft es Rheindahlen. Der 25. Februar 1945 ist ein strahlend schöner Vorfrühlingstag. Um 14.30 Uhr wird Fliegeralarm ausgelöst, zwei Stunden später wird er wieder aufgehoben. Die Flugzeuge haben Wegberg angegriffen, Rheindahlen scheint davon gekommen zu sein. Doch wenige Minuten später, um 16.38 Uhr bricht die Hölle über den Ort herein, wie Oberpfarrer Peter Micke in seinen Aufzeichnungen notiert: "Nach 40 Sekunden hat sich der Ort in eine Trümmerlandschaft verwandelt, ganze Straßenzüge sind zerstört, besonders betroffen sind Wickrather-, Plekturdis-, Vollmüller- und Beecker Straße, Rathaus, Pfarrkirche und -haus sind schwer beschädigt." Auf dem Friedhof liegen verstreute Gebeine herum, vor der Kirche wurden wartende Gläubige getötet. 35 russische Zwangsarbeiter sterben ebenso wie zwei Geistliche. Insgesamt kommen nach Angaben des Pfarrers 165 Menschen ums Leben. Am nächsten Tag trifft es Wickrath, wo unter anderem die Kirche völlig zerstört und der Keller des Pfarrhauses zur Todesfalle für den Pfarrer, den Kaplan und 16 weitere Menschen wird. Am 27. Februar wird Rheindahlen nochmals bombardiert und von Artillerie beschossen. Ein Dutzend deutscher Panzer taucht auf und soll die Angreifer aufhalten, aber um 16 Uhr tritt Ruhe ein. Die Amerikaner rücken in Rheindahlen ein. Auch Hardt wird am 27. Februar besetzt, am 28. Februar folgen Wickrathberg und Odenkirchen. Die Amerikaner gehen vorsichtig vor, sie überschätzen den deutschen Widerstand. Sie nehmen Odenkirchen jedoch so schnell ein, dass, als vom Rheydter Rathaus aus in Odenkirchen angerufen wird, der überraschte Anrufer einen Amerikaner am Apparat hat.

Am 1. März rücken die amerikanischen Verbände von Westen und Osten auf die beiden Stadtzentren vor. In Holt kommt es zu einem Gefecht mit drei deutschen Panzern, auf der Hindenburgstraße sammelt ein Leutnant versprengte Soldaten, um die Stadt zu verteidigen, aber das hält die amerikanischen Truppen nicht auf. Die deutschen Soldaten sprengen noch die Brücken Dahl-Ohler, Aachener und Venner Straße und die Bahnbrücke Gladbach-Viersen, dann ziehen sie ab. Die Brücke an der Viersener Straße, über die auch die Trinkwasserleitung verläuft, bleibt erhalten, weil der Sprengmeister des Volkssturms die Sprengung nicht wie befohlen durchführt, sondern die Zündschnüre mit nach Hause nimmt und so die Wasserversorgung der Stadt rettet.

Insgesamt ist der Widerstand gering, in Rheydt wehen an vielen Häusern weiße Fahnen. Ein Umstand, den NS-Propagandaminister Joseph Göbbels, gebürtiger Rheydter, in seinem Tagebuch fassungslos beschreibt: "Für mich sind geradezu beschämend die Nachrichten, dass die Stadt Rheydt die Amerikaner mit weißen Fahnen empfangen habe. (...) Für die Amerikaner ist das natürlich eine Sensation erster Klasse, genauso, wie es für mich beschämend und demütigend ist."

Nachdem am Vormittag Rheydt und am frühen Nachmittag das Gladbacher Zentrum erobert ist, erreichen die Amerikaner am späten Nachmittag Neuwerk. Fritz Thürnau beschreibt in seinen Kindheitserinnerungen diesen Moment: "Es war eine unheimliche Atmosphäre, als die Amerikaner in Neuwerk einzogen. Sie kamen fast lautlos auf ihren Gummisohlen an einem späten Nachmittag bei fahlem Sonnenlicht auf den Marktplatz und hielten die Gewehre in der Armbeuge. Von den deutschen Soldaten kannte ich das laute rhythmische Marschieren, wenn sie mit ihren nagelbesetzten Stiefeln an uns vorbeizogen."

Für Mönchengladbach und Rheydt endete der Zweite Weltkrieg am 1. März 1945. Was folgte, war die Besatzungszeit, ein Leben in Ruinen und der Kampf ums tägliche Brot.

(arie)
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