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Mönchengladbach Merreter: Honschaft mit 12 Häusern

Mönchengladbach · Zwischen Schriefersmühle und Knoor, am süd-westlichen Rand der Stadt, liegt – umgeben von Äckern und Weiden – das Dorf Merreter. Verschlafen wirkt es nur auf den ersten Blick.

 Bert Stevens und Willi Hastenrath erinnern sich im Flachs-Hof an die Dorf-Originale und sind in ihrer Art selber welche.

Bert Stevens und Willi Hastenrath erinnern sich im Flachs-Hof an die Dorf-Originale und sind in ihrer Art selber welche.

Foto: Isabella Raupold

Zwischen Schriefersmühle und Knoor, am süd-westlichen Rand der Stadt, liegt — umgeben von Äckern und Weiden — das Dorf Merreter. Verschlafen wirkt es nur auf den ersten Blick.

In den wenigen Häusern leben ausgesprochen interessante Menschen, echte Originale. Dass sich in dieser Idylle auch Tiere, Hexen und Kräuterweiblein wohlfühlen, wundert nicht. Der Rütten Toni lebt nicht mehr, der Filipiak Alfred ist schon lange unter der Erde, und der Willi Heinrichs — ja, der ist auch gestorben, plötzlich und unerwartet im Frühjahr 2008. Aber die Toten leben weiter. In den vielen Geschichten, die in Merreter erzählt werden, haben sie ihren Platz. "Die Alten — das waren echte Originale", sagt Bert Stevens, der ein Ureinwohner von Merreter ist und gleich hinter der Kapelle wohnt. Der Willi Heinrichs vom Kamphof wusste alles über das Dorf.

Der Alfred Filipiak trank gern ein Bierchen mit Freunden. "Und der konnte aus allem, was er in der Natur fand, Aufgesetzten machen", sagt der 60-Jährige, der sich an die schlimmste Nacht seines Lebens im Keller von Filipiak erinnert. Und der Kohlenhändler Toni Rütten weckte die Dorfbewohner in aller Herrgottsfrühe, wenn er sein Tagewerk laut und deutlich begann. "Einen Wecker brauchte keiner von uns", sagt Bert Stevens.

Willi Hastenrath ist in den 1990er Jahren zu seinen Wurzeln zurückgekehrt — nach Merreter. Schon sein Großvater lebte in dem kleinen Dorf am äußersten Rand der Stadt. "Der hat in der Kull Platten aus Sand, Kies und Zement hergestellt", sagt er. Im Hof von Bert Stevens' Anwesen liegen davon noch etliche. "Wenn genug Zement beigemischt wurde, halten die ewig."

Der heute 49-Jährige Hastenrath hat 1993 den damals reichlich verfallenen Flachs-Hof gekauft. Schon im Jahr darauf eröffnete er sein Gourmet-Restaurant. "Die Dorfbewohner waren anfangs skeptisch", sagt der Gastronom. Noch nicht mal ein Bier an der Theke könne man da trinken — in dem feinen Schuppen. Und Pommes mit Majo gäbe es da auch nicht: So wurde geredet.

Die beiden erinnern an die Originale — und sind in ihrer Art selber welche. Bert Stevens ist Schauspieler, Hörfunk- und Synchronsprecher, Regisseur und Eigentümer eines einzigartigen Biotops. "Ich weiß, irgendwo da draußen hinter meinem Haus ist ein Teich", sagt er lachend. In Augenschein nehmen konnte er das Gewässer schon länger nicht mehr — da ist alles zugewachsen.

Und Willi Hastenrath? Na, wenn der kein Original ist. Wer traut sich schon, in einem so abgelegenen Dorf wie Merreter eine sanierungsbedürftige Landwirtschaft umzubauen zu einem Treffpunkt für verwöhnte Gaumen? "Damals haben mich manche für verrückt erklärt", sagt er.

Aber — er hat es geschafft. Er hat aus dem Flachs-Hof ein Kommunikations- und Kulturzentrum gemacht. Inzwischen versammeln sich regelmäßig auch Hexen, Kräuterweiblein und wohltätige Frauen in seinem Restaurant. Die "Frauen-Zeit" hat Hastenrath gemeinsam mit der Rheindahlener Geschäftsfrau Marlies Rennertz erfunden. Die Abende im stimmungsvollem Ambiente, bei feinem Essen und verblüffendem Programm zieht immer mehr Frauen ins Dorf.

In anderen Honschaften würden sie auffallen — und als originell gelten, in Merreter gehören sie dazu — die Pfauen, Schweine, Hunde, Katzen, Esel, Emus, Alpakas, Hühner, Enten und die Kuh Annabelle. Mehr als 100 Tiere leben auf dem Schutzhof von Monika und Roman Kremers, der Mon-Ro-Ranch — schräg gegenüber der Kapelle.

Und manchmal reicht der Zaun nicht, um den Freiheitsdrang der Tiere zu bremsen. Dann spaziert auch mal eine Ziege durchs Dorf, und das Federvieh hat irgendwie geartete Grenzen sowieso noch nie akzeptiert. "Wenn ich es auf meinem Dach trappeln höre, weiß ich, dass die Pfauen sich mal wieder selbstständig gemacht haben", sagt Bert Stevens.

Die Feste auf der Ranch sind weit über Merreter hinaus bekannt. Im Sommer wird gefeiert, der Nikolaus kommt, und einmal im Jahr strömen Tierbesitzer in das kleine Dorf, um ihre Lieblinge von Ordenspater Theodardus segnen zu lassen.

Es lebt sich gut in Merreter, sagen Hastenrath und Stevens. In der Stadt geht man in Geschäfte, in Merreter in die Natur, sagen sie. "Hier kann man Ruhe erleben und Gedanken zulassen."

Allerdings wird es nach und nach zu ruhig im Dorf. "Für die Kinder ist Merreter ein einziger Abenteuerspielplatz, die Jugendlichen wollen raus aus dem Kaff, und für die alten Leute ist das Dorfleben manchmal beschwerlich", sagt Willi Hastenrath. Einkaufen kann man im Hofladen von Renate und Heinz Schiffers, essen im Flachs-Hof, Tiere gucken auf der Mon-Ro-Ranch — das war's.

Der Bus fährt nur selten, vieles muss mit dem Auto oder dem Fahrrad gemacht werden. "Letzten Winter, als so viel Schnee lag, wurde es schwierig", sagt Stevens. Aber immer, wenn es schwierig wird, rücken sie zusammen, die Menschen in Merreter. Und dann helfen sie sich gegenseitig.

(RP)
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