Serie Mein Engel Kleine Gesten mit einer großen Wirkung

Moers · Bernd Brumme ist seit einem Schlaganfall halbseitig gelähmt und auf einen Rollstuhl angewiesen. Dem fahrbaren Untersatz fehlte jedoch eine Ablage. Durch die Hilfe eines Bastler-Teams ist der 73-Jährige nun wieder ein Stück weit selbstständiger.

Serie Mein Engel: Kleine Gesten mit einer großen Wirkung
Foto: Christoph Reichwein

Bernd Brumme fällt es sichtlich schwer, seine eigene Lebensgeschichte zu erzählen. Nicht nur, weil sie ihn emotional packt, sondern auch da er körperlich gehandicapt ist. Vor zehn Jahren erlitt der heute 73-Jährige einen Schlaganfall. Es kam zu Komplikationen, er musste reanimiert werden. "Als ich wieder aufwachte, war alles anders. Die Ärzte teilten mir mit, dass ich nun halbseitig gelähmt sei." Seine linke Körperhälfte kann er nicht mehr aus eigener Kraft bewegen und kontrollieren. Daher lebt er seitdem im Awo-Seniorenzentrum an der Essenberger Straße in Moers und ist zur Bewältigung seines Alltags zudem auf einen Rollstuhl angewiesen.

"Ich hatte vorher nie ein Bewusstsein für die Probleme von behinderten Menschen. Heute weiß ich, wie viel Lebensqualität verloren geht, wenn man nicht mehr alleine vor die Tür gehen kann", sagt Brumme. Daher stellte er schon bald einen Antrag bei seiner Krankenkasse, die ihm einen Elektroscooter bewilligte. "Damit konnte ich endlich wieder ohne Begleitung in den Schlosspark und in die Innenstadt."

Doch sein fahrbarer Untersatz streikte bereits nach wenigen Monaten. Ein neues Modell wollte die Krankenkasse jedoch nicht mehr bezahlen. Schließlich wandte sich Brummes Pfleger an den Lions Club Moers sowie an die Franz-Beckenbauer-Stiftung und bat um Hilfe. Beide Organisationen nahmen sich des Falls an und organisierten vor drei Jahren einen neuen Elektro-Rollstuhl für den 73-Jährigen. Brumme war glücklich, der neue Scooter funktioniert auch heute noch einwandfrei.

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Foto: Christoph Reichwein

Schnell ließ sein körperliches Handicap allerdings auch die Nachteile des Rollstuhl offensichtlich werden. "Da ich ja alles nur mit der rechten Hand machen kann, war es mir nicht möglich, mal etwas Geld mitzunehmen und mir ein Eis oder ein Würstchen zu kaufen. Es fehlte einfach eine Ablagemöglichkeit an meinem Rollstuhl", erzählt Brumme. Er überlegte, wie man das Problem lösen könne. "Im Behindertenratgeber der Stadt Moers bin ich schließlich auf die Nachbarschaftswerkstatt des SCI an der Barbaraschule gestoßen."

Dort machte Brumme die Bekanntschaft mit Uwe Neidling und seinem Team. Mit insgesamt zwölf Ehrenamtlern kümmern sich die Bastler der Nachbarschaftswerkstatt seit 2010 um kleinere Reparaturen in Privathaushalten, helfen bei Möbeltransporten oder Renovierungsarbeiten. "Rund 300 Mal waren wir seitdem unterwegs und konnten dort helfen, wo es nötig war", berichtet Neidling. "Der Großteil unserer Truppe besteht aus ehemaligen Bergleuten, wir sind handwerklich also sehr breit aufgestellt."

Daher war es für Neidling und sein Team auch eine Ehrensache, sich um Brummes Anliegen zu kümmern. "Es stellte uns allerdings auch vor ein paar technische Probleme", erzählen Ralf Großheim und Sevket Aslan, die ebenfalls an diesem Projekt beteiligt waren. "Wir durften keine baulichen Veränderungen vornehmen, da sonst der TÜV Probleme gemacht hätte".

Es bedurfte also einer pragmatischen Lösung. Mit Hilfe eines Lederriemens, ein wenig Holz und einer Brotdose bastelten die Männer in sieben Arbeitsstunden eine Ablage, die problemlos über den Lenker des Rollstuhls geschoben werden und bei Bedarf abgenommen werden kann. Eine kleine Geste mit großer Wirkung, Brumme ist dem Team der Nachbarschaftswerkstatt bis heute dankbar: "Es ist gut zu wissen, dass es in der heutigen Zeit noch Menschen gibt, die sich der Probleme anderer annehmen. Ich weiß jetzt eins: Engel begegnen uns im Alltag nicht so, wie wir sie uns immer vorstellen. Sondern als Männer, die zupacken können und außergewöhnlich hilfsbereit sind."

Derweil hat sich im Laufe der Jahre eine echte Männerfreundschaft entwickelt. Neidling besucht Brumme regelmäßig im Wohnheim, erledigt auch kleinere Besorgungen für den 73-Jährigen. Und der hat schon den nächsten Auftrag für das Bastler-Team der Nachbarschafswerkstatt parat. "Mein gelähmtes linkes Bein fällt immer seitlich aus dem Rollstuhl heraus. Es wäre sehr schön, wenn ich dafür eine Art Stütze bekäme."

Neidling sagt schmunzelnd: "Er ist mittlerweile ja so etwas wie unser Stammkunde. Aber auch dafür werden wir sicherlich eine Lösung finden. Dafür sind wir schließlich da."

MARKUS PLÜM

(p-m)
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