Nettetal Rokal – mehr als eine Eisenbahn

Nettetal · Vor 60 Jahren fuhr die Modelleisenbahn erstmals über die Tische. Bis zum 2. Juni ist ihr eine Sonderausstellung im Freilichtmuseum Dorenburg in Grefrath gewidmet. Doch Rokal, Abkürzung aus Robert Kahrmann Lobberich, war mehr als die Eisenbahn. Das machte Hans-Georg Heymanns in einem Vortrag zur Geschichte des einst größten Lobbericher Industriebetriebes klar.

Druckguss und Armaturen waren der Produktionsprogramm des 1927 in Lobberich gegründeten Betriebes. Der gebürtige Balte Robert Kahrmann hatte vorher einen ähnlichen Betrieb in Venlo besessen. In den 1930er-Jahren wurden „Rokal-Armaturen“ von 40 Leuten in der Remise und den Ställen von Haus Erlenbruch hergestellt. Die Villa der Familie Niedieck hatte Kahrmann gegen ein Gut in Arcen getauscht.

Rokal wurde Automobilzulieferer, etwa für Ford. Während des Krieges beschäftigte der Betrieb 200 deutsche und 20 Fremdarbeiter. Hergestellt wurden auch Zünder für die V 1, wie eine am 19. Februar 1945 in Lobberich abstürzte.

Alfred Pierburg kam

Die 1944 geknüpften Kontakte zur Deutschen Vergasergesellschaft in Berlin wurden nach Kriegsende ausgebaut. Alfred Pierburg ließ sich als Inhaber der Solex-Vergaserlizenzen in Lobberich nieder. „Allerdings währte die Harmonie nicht lange“, fand Heymanns heraus. Pierburg machte in Neuss ein eigenes Werk auf und nutzte Rokal als „verlängerte Werkbank“.

1952 sicherte Kahrmann-Schwiegersohn Werner Grodde dem Unternehmen die weltweite Lizenz für den Luftbeimischer „Perlator“, der Wasserhähnen das Spritzen abgewöhnte. Mitte der 1950er-Jahre kam Aluminium-Spezialist Professor Max Haas in die Entwicklung und Produktion von Zierleisten. Die Mitarbeiterzahl schnellte auf 3000. Doch ging 1962 Patentprozess um den Perlator gegen Grohe verloren. Das brummende Vergasergeschäft – 4500 Stück wurden täglich produziert – geriet mit der Krise in der Automobilindustrie und dem Tod von Paul Schönfeld und Dr. Georg Hotze unter Druck. Es entstand „ein Führungsvakuum, von dem man sich nicht mehr erholen sollte“. 1971 wurde die Modellbahnabteilung an Röwa verkauft, die Mehrheit der ausgegliederten Armaturen-GmbH ging an ein französisches Konsortium. 1972 wurde die Vergasermontage an die DVG/Pierburg verkauft.

Nach Ansicht von Heymanns hat die Deutsche Bank eine entscheidende Rolle beim Niedergang gespielt, weil sie ab 1970 eine Reduzierung ihrer Kreditlinie verlangte. Robert Kahrmann hat miterleben müssen, „wie sein Lebenswerk brüchig wurde“. Er starb im April des Jahres 1972.

(RP)
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