Neuss Geisslers Visionen von den Sternzeichen

Neuss · Der Grafiker Rolf Geissler zeigt in seiner neuen Ausstellung im eigenen Atelier an der Büttger Straße Zeichnungen von den zwölf Tierkreiszeichen: "Sternbilder & andere". Sie basieren auf den Texten des Neusser Autors Wolfgang Kammer.

 Der Steinbock war in früheren Darstellungen ein Ziegenfisch - in Geisslers Sternbildes fließen beide Visionen ineinander.

Der Steinbock war in früheren Darstellungen ein Ziegenfisch - in Geisslers Sternbildes fließen beide Visionen ineinander.

Foto: NN

Der Grafiker Rolf Geissler zeigt in seiner neuen Ausstellung im eigenen Atelier an der Büttger Straße Zeichnungen von den zwölf Tierkreiszeichen: "Sternbilder & andere". Sie basieren auf den Texten des Neusser Autors Wolfgang Kammer.

Neuss: Geisslers Visionen von den Sternzeichen
Foto: Woitschützke, Andreas (woi)

Rolf Geissler gehört zu jenen Künstlern, die so belesen wie eloquent sind. Aber jetzt fehlen ihm offenbar die Worte. "Wie soll ich das erklären?" Erklären nämlich, was Auslöser seiner jüngsten Arbeiten ist - einer Serie von zwölf Zeichnungen zu den "Sternbildern". Sie ist den Schwerpunkt seiner mittlerweile traditionellen Ausstellung im Vorfeld des Schützenfestes, für die er sein Atelier an der Büttger Straße besucherfein macht.

Dabei ist die Erklärung eigentlich doch ganz einfach. Wie so oft bei Geissler liegt dem Bild ein Wort zugrunde. Ein Text, ein Bonmot, das er gehört hat, ein Buch, das er liest, ein ganzes Gedicht oder auch nur ein Vers. Der einzige Unterschied: Dieses Mal wurde es ihm gezielt vorgelegt. "Vom Poeten der Südstadt", wie er lächelnd sagt - genau wissend, dass der Gemeinte, nämlich der Neusser Wolfgang Kammer, das vielleicht nicht gerne hört.

Kammer hat ihm seine Lyrik zu jedem der zwölf Sternzeichen zugeschickt und sich von dem Grafiker dazu "fast geniale Zeichnungen, gerne mit erotischer Note" gewünscht. Wer Geisslers Arbeiten in den vergangenen Jahren verfolgt hat, weiß, dass erotische Darstellungen bei ihm ein Instrument für beißenden Sarkasmus sein können. Sie sind selten Sache an sich, sondern meistens Mittel zum Zweck. Dass also auf dem Stier eine großbusige Europa sitzt, wundert ebenso wenig die Darstellung eines prächtigen Löwen, der mit eingeklemmten Schwanz in einem Sessel sitzt oder reiner Jungfrau, die durchaus Ähnlichkeit mit einer Bordsteinschwalbe hat. Aber daran ist überhaupt nichts, was man gerne als "anstößig" bezeichnet. Geisslers Zeichnungen passen schlicht und einfach genau zu Kammers Texten, sind visualisierte Worte.

Des Künstlers erster Zugriff galt natürlich dem eigenen Sternzeichen, dem Steinbock. "Wohin trägst du dein Wasser/einsamer Wolf? Den schmalen Weg bergan? Weine nicht um das Murmeltier. Ich habe es geliebt." So lautet Kammers Vers, und Geissler hat sich seine eigenen Gedanken darauf gemacht. Der babylonische Name des Tierkreiszeichen, Capricorn, frühe Darstellungen, als der Steinbock noch ein "Ziegenfisch" war, ein Zwitterwesen aus Ziege und Fisch, kamen ihm in den Sinn - und alles fand Eingang in die Zeichnung.

"Ich wollte keine Erklärung zu den Texten", sagt der Künstler kategorisch, "auch wenn ich mal einen nicht ganz verstanden habe." Nur seinen eigenen Assoziationen wollte er folgen, aber er gibt zu: "Natürlich dachte ich zunächst an Charaktereigenschaften, die dem jeweiligen Sternzeichen zugeordnet werden." Davon hat er sich für die Serie dann doch befreit, sich allein auf figürliche Interpretationen eingelassen.

Aber - wenn man so will - das Charakterliche dafür in anderen Arbeiten erfasst. In seinen Selbstporträts, an denen er seit seiner Ausstellung "Ein 68er packt aus" weitergearbeitet hat. Das Besondere ist dabei der Stift. Zum ersten Mal hat der Grafiker mit einem Silberstift gearbeitet. Im Vergleich zu den Bleistiftzeichnungen sind die neuen Arbeiten wesentlich weicher geraten. Doch der Gedanke, dass das auch ein Zeichen für einen nachlassenden Biss des Künstlers sein könnte, ist beim Anblick der Porträts ebenso schnell wieder weg, wie er gekommen ist ... Als Sohn eines Friseurs sei er ja "ein geschädigtes Kind", behauptet Geissler (Begründung: "Wie alle Kinder eines Friseurs"), aber als Künstler hält er doch fest, dass er die Schere nicht im Kopf hat, sondern sie an seinem Hals baumelt.

Geissler ist ein Meister der Eulenspiegelei. Nicht nur in Bezug auf die Selbstdarstellung, sondern auch beim Zugriff auf Kollegen und fremde Kunst. Große Kollegen wie Michelangelo und große Kunst wie dessen bekannteste Arbeiten. Er habe sie "gefälscht", sagt er lachend. Und so hat er einen Seitenraum seines Ateliers sinnigerweise in "Fälscherkabinett" umbenannt.

(NGZ)
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