Neuss Jazzlegende begeistert in der Alten Post

Neuss · Der belgische Gitarrist Philip Catherine hat mit zahlreichen Größen des Jazz zusammengearbeitet - von Chet Baker bis Charles Mingus. Jetzt gastierte der Musiker mit dem "AMC Trio" bei der Jazzreihe "Blue in Green".

 Philip Catherine (l.) spielte mit Philipp van Endert gegen Ende des Konzerts in der Alten Post den Standard "Stella By Starlight".

Philip Catherine (l.) spielte mit Philipp van Endert gegen Ende des Konzerts in der Alten Post den Standard "Stella By Starlight".

Foto: Barbara Steingießer

Welch glanzvoller Start ins Jubiläumsjahr! Zur Saisoneröffnung von "Blue in Green" spielte eine europäische Jazzlegende. Der belgische Gitarrist Philip Catherine, der 1942 als Sohn eines Belgiers und einer Engländerin in London geboren wurde, hat in seinem langen Musikerleben mit den Größten des europäischen und amerikanischen Jazz zusammengearbeitet. Von Chet Baker, mit dem er sechs Alben aufnahm, über Dexter Gordon, Stéphane Grappelli, Jean-Luc Ponty, Charlie Mariano, Larry Coryel, Benny Goodman und Charles Mingus, der ihm 1977 wegen seiner Fähigkeit, zu swingen, den Spitznamen "Young Django" verpasste, bis hin zum König des Blues, B. B. King.

In die Alte Post kam Catherine als Gast des slowakischen AMC Trios, das mit ihm die bemerkenswerte CD "Very Keen Attack" eingespielt hat. Das Trio, dessen Name sich aus den Anfangsbuchstaben der Musiker Peter Adamkovic (Piano und Keyboards), Martin Marincák (Kontrabass) und Stanislav Cvanciger (Drums) zusammensetzt, hat über viele Jahre hinweg einen dichten Gruppensound entwickelt. In der Nachfolge des schwedischen Esbjörn Svensson Trios, das mit seiner Mischung aus Jazz, europäischer Folklore und Rockmusik den Weg für viele Klaviertrios wies, begeistert es - wie hierzulande das Tingvall Trio oder "Triosence" - mit sangbaren Melodien, eingängigen Riffs und kraftvollem Drive.

Obwohl das Programm sich aus zwei Komponenten zusammensetzte, zum einen aus Stücken des Trios und zum anderen aus bekannten Kompositionen von Catherine, die im vergangenen Jahr auch erstmals mit klassischem Orchester live aufgenommen wurden, wirkte das Konzert wie aus einem Guss. Das lag zum Teil an den geschmackvollen Arrangements mit wohldosierten synthetischen Streicherklängen, die Adamkovic nicht nur in den Stücken von Catherine wie "L'Eternel Désir", sondern auch in den eigenen einsetzte, und die organisch mit Marincáks Bogenspiel verschmolzen. Die wichtigste Klammer, die alles zusammenhielt, aber war der einzigartige, singende Gitarrenklang von Philip Catherine.

Besonders gut zur Geltung kam dieser Sound durch Catherines Gefühl für Timing. Bei ihm ist jeder einzelne Ton wichtig, jeder Ton ist perfekt platziert, und es erklingt keine Note zu viel. Dass Philip Catherine Geschwätzigkeit hasst, wird schon in seinen Ansagen klar, die er als "Blabla" abtut. Nein, sein Spiel ist so beredt, weil er sich auf das Wesentliche konzentriert.

Die Stücke nehmen gleitend Fahrt auf und entwickeln fast unbemerkt eine mitreißende Dynamik. Und plötzlich ist klar: Philip Catherine ist der vielgepriesene Melodiker. Er ist ein Poet, aber kein verhuschter, sondern einer, der seine Gitarre kraftvoll singen lässt. Obwohl die beiden Gitarristen vor dem Konzert nur wenige Minuten Zeit zum Proben hatten, rief Philip Catherine am Schluss des Konzerts seinen Namensvetter Philipp van Endert auf die Bühne.

In dem Standard "Stella By Starlight" zeigten sie im Duo, worauf es im Jazz eigentlich ankommt: darauf, dass man einander zuhört. Wie das Spiel der beiden ineinandergriff und sich verzahnte, wie der eine den anderen begleitete und dann dessen Linien schlüssig weiterführte. Das war atemberaubend. Im Quintett konnten sie dann auch noch einmal Muskeln zeigen.

Jubel und langanhaltender Applaus!

(stei)
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