Neuss Nordstadt: Zwischen Stolz und Vorurteil

Neuss · Bei einem Runden Tisch der NGZ diskutierten Vertreter aus vielen Bereichen über das Gemeinendewesen auf der Furth.

 Vertreter aus Politik, Gesellschaft, Kirche, Brauchtum und Sportvereinen folgten der NGZ-Einladung, um sich unter der Moderation von Redaktionsleiter Ludger Baten über Potenziale auf der Furth auszutauschen.

Vertreter aus Politik, Gesellschaft, Kirche, Brauchtum und Sportvereinen folgten der NGZ-Einladung, um sich unter der Moderation von Redaktionsleiter Ludger Baten über Potenziale auf der Furth auszutauschen.

Foto: Lber (1): jasi (4)

Einen passenderen Ort für so ein Treffen kann es wohl nicht geben. Menschen vieler Generationen und Kulturen kommen regelmäßig in den "Treff 20" an der Wingenderstraße, um sich auszutauschen. Das Angebot der Diakonie soll im Herzen der multikulturellen Nordstadt Brücken schlagen. Aber gibt es genug solcher Verbindungshilfen in dem Gebiet, oder muss mehr getan werden, damit die Menschen aufeinander zugehen?

Ende Januar hatte die NGZ ein Stimmungsbild rund um den Kotthauserweg veröffentlicht, in dem Anwohner und Geschäftsleute die Stimmung in dem Stadtteil kritisierten. Der Tenor: viele Kulturen leben zwar Tür an Tür, doch einige von ihnen schotten sich voneinander ab. Bei anderen Anwohnern und Menschen, die sich seit Jahren in dem Stadtteil engagieren, sorgten diese Ansichten für Unverständnis. Grund für die NGZ, diese Menschen an einen Tisch zu holen und im "Treff 20" mit ihnen über den Ist-Zustand und mögliche Verbesserungspotenziale zu sprechen.

 Sinnbildlich für den Runden Tisch im "Treff 20" auf der Furth - dort richteten die Teilnehmer den Blick auf die Nordstadt.

Sinnbildlich für den Runden Tisch im "Treff 20" auf der Furth - dort richteten die Teilnehmer den Blick auf die Nordstadt.

Foto: Lothar Berns

Jochen Baur ist als Streetworker in der Nordstadt aktiv und sozusagen mittendrin. "Es gibt immer wieder Jugendliche, die ihre Probleme haben, da ist es wichtig, mit ihnen ins Gespräch zu kommen." Er habe jedoch das Gefühl, dass das Gros der Menschen sagt: "Wir mögen unser Viertel." Am Beispiel der Flüchtlingsunterkunft am Nordbad zeige sich, wie gut auch in Weißenberg Integration gelingt. Ein Problem: er und seine Streetworker-Kollegen sind für ein großes Gebiet zuständig und können deshalb nicht überall in dem Umfang aktiv werden, wie sie gern möchten.

Ein Aspekt, in dem sich alle rund 20 Teilnehmer einig waren: Es gibt ein starkes Gemeinschaftsgefühl "hinter der Bahn". Anke Scholl, Pfarrerin in der Evangelischen Reformationskirchengemeinde, bestätigte: "Ich wohne hier seit 2010. Die Menschen identifizieren sich mit der Nordstadt. Sie sagen nicht ,ich bin Neusser', sondern ,ich bin Further'."

Die Diakonie hat nicht nur ihren Sitz auf der Neusser Furth, sondern auch viele verschiedene soziale Einrichtungen. "Alleine durch die Kitas erhalten wir ein gutes Stimmungsbild von den Eltern - durch sie kriegen wir viel mit", sagte Vorstandsmitglied Stephan Butt. Es gebe jedoch nicht nur subjektive Einschätzungen, sondern auch objektive Fakten. So machte Butt auf das Sozialmonitoring der Stadt Neuss aufmerksam. Daraus gehe hervor, dass das durchschnittliche Einkommen der Weißenberger rund 25 Prozent geringer ist im Vergleich zum gesamtstädtischen Schnitt.

Für den katholischen Pfarrer Hans-Jürgen Korr sind viele Vorurteile, die über die Nordstadt noch immer bestehen, unbegründet. "Ja, es gibt ein soziales Gefälle auf der Furth, aber in vielen Fällen klappt die Integration toll." Als Beispiel nannte er das Engagement seiner Organistin: "Wenn sie ein Krippenspiel veranstaltet, dann nehmen daran nicht nur Christen teil, sondern Kinder sämtlicher Nationen - und sie spielen dann gemeinsam." Die Kirche biete die Möglichkeit, Menschen Heimat zu geben.

Roland Kehl, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen, lebt seit 1973 am Weißenberger Weg. Auf der einen Seite berichtete er von Drogenkonsumenten, die er regelmäßig beobachten könne, auf der anderen Seite relativierte er: "Das Glas in der Nordstadt ist eher halb voll als halb leer." Im Detail heißt das: "Wir haben Angebote wie den Treff 20, das Geschwister-Scholl-Haus, genug Grün und das Nordbad."

Ein Beispiel für gelungene Integration bieten auch die Sportvereine. Mit Hermann Josef Kahlenberg und Hans-Josef Holtappels waren Vertreter von KSK Konkordia und SVG Weißenberg am Runden Tisch. "480 Jugendliche aus der Nordstadt sind dreimal in der Woche auf unserem Sportplatz, dann sind sie von der Straße weg und werden eingeübt in soziales Verhalten", sagte Holtappels. Mit dem Ist-Zustand möchte sich der Erste Vorsitzende jedoch nicht zufrieden geben. "Ein Stadtteil mit 40.000 Einwohnern hat nur einen Fußballverein und die KSK. Langfristig müssen wir schauen, dass wir uns im Sportbereich besser aufstellen", sagte Holtappels.

Auch Monika Mertens-Marl von der CDU-Nordstadtkonferenz richtete den Blick nach vorn: "Wir haben viele Angebote, sollten sie jedoch zusammenführen und kompakter darstellen." Heinrich Thiel vom SPD-Ortsverein Nordstadt lobte die Möglichkeit zum Austausch und sprach sich für mehr Selbstvertrauen der Further aus: "Man darf sich selbst nicht kleinreden."

(NGZ)
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