Neuss RLT-Premiere mit wunderbarem Schauspieler-Quartett

Neuss · Sie sind Schwestern, beide in den 30ern, und wenn sie aufeinander treffen, fliegen die Fetzen. Isabell und Maria leben zu ihrem Glück weit voneinander entfernt, aber nun ist es mal wieder so weit: Isabell ist schwanger, und sie und ihr Freund Richard besuchen Maria und ihren Mann Nick in New York, wo die beiden in einem schicken Loft leben. Mit vier Wachteln namens Iokaste, Ismene, Antigone und Oedipus als Mitbewohner – und einer namenlosen Ratte. Die ist allerdings ein ungebetener Gast und ein Synonym auf vier Beinen für die Störung im Leben einer jeden Schwester durch die andere.

 In seltener Harmonie: (v.l.) Nick (Rainer Scharenberg), Maria (Katharina Dalichau), Isabell (Linda Riebau) und Richard (Stefan Dieckmann) freuen sich über Strampeln des Babys.

In seltener Harmonie: (v.l.) Nick (Rainer Scharenberg), Maria (Katharina Dalichau), Isabell (Linda Riebau) und Richard (Stefan Dieckmann) freuen sich über Strampeln des Babys.

Foto: B. Hickmann

Sie sind Schwestern, beide in den 30ern, und wenn sie aufeinander treffen, fliegen die Fetzen. Isabell und Maria leben zu ihrem Glück weit voneinander entfernt, aber nun ist es mal wieder so weit: Isabell ist schwanger, und sie und ihr Freund Richard besuchen Maria und ihren Mann Nick in New York, wo die beiden in einem schicken Loft leben. Mit vier Wachteln namens Iokaste, Ismene, Antigone und Oedipus als Mitbewohner — und einer namenlosen Ratte. Die ist allerdings ein ungebetener Gast und ein Synonym auf vier Beinen für die Störung im Leben einer jeden Schwester durch die andere.

Mit ihrer Komödie "Die Ratte" wandelt die mexikanische Autorin Justine del Corte auf den sicheren Pfaden einer Yasmina Reza, die mit ihrem Stück "Der Gott des Gemetzels" stilbildend vorgemacht hat, wie sich zwei Paare in einen für den Zuschauer gleichermaßen amüsanten wie (selbst-)erhellenden Kleinkrieg verstricken. Zwei ständig stichelnde und zankende Frauen, zwei schwache Männer, und dazu eine Mutter, die permanent anruft — auch del Cortes Konstellation bietet jede Menge gutes Bühnenfutter.

Schnell und pointensicher hat Regisseur Thorsten Duit die Komödie am Rheinischen Landestheater inszeniert und damit dem alten Jahr bei der ausverkauften Premiere an Silvester einen beschwingten Abgang verschafft. Mit einem wunderbaren Schauspieler-Quartett für vier abgedrehte Menschen, die sich das Erwachsensein nur wie ein Mäntelchen umgehängt haben. In bester Screwball-Manier werfen sich Linda Riebau (Isabell) und Katharina Dalichau (Maria) in ihre Rollen. Und Stefan Dieckmann (Richard) und Rainer Scharenberg (Nick) sind nicht nur Sekundanten, sondern eigenständige Figuren.

Alle finden sie für die grotesken Situationen das richtige Maß, so dass eine Szene wie die Beerdigung der gebratenen Wachteln im Mülleimer so skurril wie anrührend wirkt: Isabell, die ausgebildete, aber erfolglose Schauspielerin besteht darauf, ein Gebet von Gretchen aus dem "Faust" zu sprechen und steigert sich in eine theatralische Darstellung hinein, die zu Recht Szenenapplaus bekommt.

Regisseur Duit und Dramaturgin Barbara Noth haben das Stück auf flotte 110 Minuten eingekürzt. Allerdings konnten auch sie mit ihrem geänderten Schluss nicht verhindert, was auch del Corte passiert ist: Dem Stück geht die Puste aus.

Die Autorin gönnt den beiden Schwestern und ihren Männern etwas arg holprig und unvermittelt zum guten Ende ein Glas Champagner und ein bisschen Harmonie. Duit und Noth verfallen im Sinne des Wortes auf einen Kurzschluss (vermutlich hat die Ratte ein Kabel durchgebissen), lassen die Protagonisten im Dunkeln jammern, kreischen, stolpern und trotzdem den Weg auf den Esstisch finden. Da stehen die vier dann Arm in Arm, wenn das Licht wieder angeht und vom Anrufbeantworter die Stimme der Mutter verkündet, dass sie gleich vor der Tür steht. Und was brüllen sie im Chor? Natürlich "Wildschwein!" Jenes Codewort, mit dem Richard seiner Isabell sagt, dass er nur noch weg will ... Mag ja ein logischer Schluss sein, ist aber bildlich allzu platt umgesetzt.

Info Nächste Vorstellung: morgen, 18 Uhr, Telefon 0 21 31 / 26 99 33

(RP)
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