Radevormwald Pädagogin erforscht die Geschichte der Kinderbetreuung in Rade

Radevormwald · Pädagogin Gudrun Hagemann-Henseler stellte im Bürgerhaus ihre bisherigen Erkenntnisse vor. Manche Forschungsergebnisse hatten sie selbst überrascht.

Die Pädagogin und Familien-Gesprächstherapeutin Gudrun Hagemann-Henseler öffnete am Freitagabend als Referentin des Bergischen Geschichtsvereins (BGV) Radevormwald die geschichtliche Tür zu ihrem ehemaligen Arbeitsplatz in der Kinderbetreuung. Hagemann-Henseler brachte den zahlreichen Besuchern im Bürgerhaus den Wandel der hiesigen Erziehungsstätten näher, die einst wie heute Kinder im Kleinkind- und Vorschulalter beherbergen.

"Im Laufe der langen Geschichte der Kindergärten hat sich ein unglaublicher Wandel vollzogen", sagte die Referentin. Sie sei bei ihren Recherchen unverhofft immer tiefer in das Thema geglitten und habe manches erfahren, das sie selbst ins Staunen gebracht habe. Ihr Publikum zeigte sich gleichfalls von ihren Erkenntnissen beeindruckt.

Gudrun Hagemann-Henseler verstand es dabei, nicht nur ihre weiblichen Zuhörer für ihren Vortrag zu gewinnen. Sie hatte ihren Vortrag so konzipiert, dass auch die Herren, die in der jüngsten Vergangenheit Themen wie Industrie und Wirtschaft im Bergischen umtrieben, ihr Interesse auf Kindergärten richteten.

Zunächst sprach Hagemann-Henseler über die heutige Situation von Kindergärten- und Tagesstätten und geriet später in einen Exkurs über die Ursprünge der Kinderbetreuung und streifte letztlich die wirtschaftlichen Zusammenhänge der jeweiligen Zeitepochen.

"Unglaubliches kam bei meiner Recherche zutage. Da wurden die Kinder im Alter zwischen zwei bis fünf Jahren Anfang des 19. Jahrhunderts einfach still gesetzt, weil die Eltern ihre Arbeit auf Feldern oder in Betrieben verrichten mussten. So wurden die Kleinen bei älteren Nachbarn abgegeben, in Keller gesperrt, ja, sogar mit Alkohol beruhigt", berichtete Referentin Hagemann-Henseler über die "Verelendung kleiner Kinder".

Erst die Schulkonferenz 1825 habe Abhilfe geschaffen und erstmals öffentliche Kinderbetreuungen eingeführt. "In Radevormwald gab es anfangs nur zwei Betriebskindergärten. Den der Firma Schürmann und Schröder und den der Tuchfabrik Wülfing. Dort wurden nur die Kinder der Mitarbeiter betreut", erläuterte die Referentin. 1874 hätten die evangelische Kirche unter Pastor Bergfried die ersten öffentlichen Kinderschulen geboten. Bis 1955 sei die evangelische Kirche Träger dieser Einrichtungen gewesen. Gudrun Hagemann-Henseler ging in ihrem Vortrag auch auf die Jahre während und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg ein. Hier zitierte sie aus Schriftstücken, die die Einrichtungen an der Grabenstraße betrafen, aber auch den "Gegenkindergarten" an der Mühlenstraße. "Es hat mit sehr erstaunt, dass Kinder aller Konfessionen in der Einrichtung aufgenommen wurden. Hier war man inzwischen recht fortschrittlich geworden", berichtete die Referentin.

Beim großen Kindergartenumbruch 1970 habe dann auch die Anzahl von Kindergärten in Radevormwald zugenommen, blickte die Referentin zurück. Zur heutigen Situation der Kinderbetreuung sagte sie: "Zuwendung, Liebe und Verlässlichkeit müssen Rahmenbedingungen bleiben, egal welche Form die Betreuung auch bietet."

(sig)
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