Ratingen Bewegung senkt das Demenz-Risiko

Ratingen · Gegen dementielle Veränderungen helfen keine Pillen. Aber Sport, Musik und Kontakte sind die beste Prophylaxe.

"Was für das Herz gut ist, ist gut für das Hirn." So einfach formuliert Mirko Bibl eine Formel, inwiefern mittels Ernährung Prophylaxe hinsichtlich dementieller Veränderungen betrieben werden kann. Leider ist der Rest dessen, was es an vorbeugenden Maßnahmen gegen die Volkskrankheit gibt, nicht so simpel auf den Punkt zu bringen. "Es gibt kein Patentrezept", sagt der Ärztliche Direktor der Fliedner-Klinik Ratingen. Er ist Facharzt für psychosomatische Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie.

"Bleiben Sie in Bewegung. Nicht nur körperlich, auch im Gehirn." Grundsätzlich verfügt jeder Mensch über so etwas wie seinen körpereigenen Arzneischrank. Bewegung öffnet ihn und produziert starke Heilmittel gegen die schlimmsten Volkskrankheiten - nebenwirkungsfrei und kostenlos. Bislang gibt es kein Medikament, das vor einer Demenz schützt. Sport dagegen kann das Risiko, daran zu erkranken, um mehr als 20 Prozent senken. Die Größe des Hippocampus, im Gehirn für die Gedächtnisfunktion und die räumliche Orientierung zuständig, nimmt durch Ausdauertraining zu. In anderen Hirnarealen verknüpfen sich Nervenzellen neu, vermutlich weil das Gehirn beim Sport besser mit Sauerstoff versorgt wird. Diese Veränderungen lassen sich auf Kernspin-Aufnahmen nachweisen, wie der Fachmann sagt. Weitere wichtige Vorbeugemaßnahmen sind Musik und Tanz, weil "verschiedene Hirnareale verknüpft sind" oder stark verbunden werden.

Die Plastizität zu stimulieren gilt unter Medizinern als "Gegenbewegung zum Abbau", wie Idun Uhl, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, ergänzt. "Hobbies haben oder zu entwickeln, ist kein Fehler." Soziale Kontakte zu hegen und zu pflegen ebenso wenig. Übrigens gilt das in besonderem Maße für Golden Ager. Sie verfügen über ein Höchstmaß an Zeit und können nun jenseits des Berufslebens endlich all die Sprachen lernen, für die sie bislang keine Muße hatten. Kreuzworträtsel oder sein tägliches Sudoko auszutüfteln, ist gut. "Die Beschäftigung sollte aber auch gewechselt werden." Ganz wichtig: Der Spaßfaktor sollte hoch sein - sich in Aufgaben zu verbeißen und dadurch frustrieren zu lassen, ist kontraproduktiv. Bei dieser Art von Gehirnjogging gilt: raus aus der Komfortzone. Aber dabei über keine Schmerzgrenze gehen. Ob und wann eine dementielle Veränderung beginnt, kann nach Eigendiagnose kaum festgestellt werden. Die Brille mal zu verbummeln, ist nicht schlimm. Nicht mehr zu wissen, für was man sie nutzt, sehr wohl. "Oder sie plötzlich im Kühlschrank abzulegen", wie die Doktores sagen. Treten massive Konzentrationsstörungen auf, fallen plötzlich komplette Episoden des Tages aus dem Gedächtnis oder gibt es Auffälligkeiten in Sachen Orientierung, sollte man "hellhörig werden und den Hausarzt aufsuchen". Mit speziellen Tests oder bildgebenden Verfahren wie CT oder MRT sowie verschiedenen Biomarkern lässt sich eine klare Diagnose erstellen. Im nächsten Schritt geht es zum Neurologen oder Psychiater. "Demenz ist nicht gleich Demenz", wissen Idun Uhl und Mirko Bibl aus der Praxis. Sie kann gefäßbedingt sein, degenerative Prozesse wie Arthroskopie können verantwortlich sein - plus Mischzustände.

Doch auch an Demenz Erkrankte profitieren von Bewegung. Nervenzellen werden reaktiviert, vernetzen sich enger. Dadurch kann der Krankheitsverlauf verlangsamt werden. Je höher der Leistungsstand, desto langsamer verläuft die Krankheit, sagen die Ärzte.

(RP)
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