Ratingen Wie das Klinikum mit Fehlern umgeht

Ratingen · Etwa 100 Patientenbeschwerden pro Jahr gehen ein. Jede einzelne ist ein Fall für das Qualitätsmanagement des Hauses.

 Wolfgang Droste, Qualitätsbeauftragter des Klinikums, spürt mögliche Fehlerquellen im Klinikalltag auf.

Wolfgang Droste, Qualitätsbeauftragter des Klinikums, spürt mögliche Fehlerquellen im Klinikalltag auf.

Foto: Klinikum Niederberg

"Wenn ich sage: ,Hier ist alles toll fehlerfrei' - dann ist das gelogen." Aus dieser trockenen Feststellung ergibt sich für Klinikum-Geschäftsführerin Astrid Gesang eine einfache Frage für den Klinikalltag: "Wie gehen wir mit Fehlern um?" Diese Frage gehört zum weiten Feld des Qualitätsmanagements einer Klinik. Wie es zu leisten ist, hat der Gesetzgeber erst vor wenigen Monaten in eher vage Formen gegossen. Am Klinikum Niederberg ist das Thema dagegen schon seit Jahren in der Fortentwicklung. Man arbeitet nach einem speziell auf das Haus zugeschnittenen Modell.

Wolfgang Droste, Qualitätsmanagement-Beauftragter des Hauses, verzeichnet pro Jahr rund 100 Patientenbeschwerden der unterschiedlichsten Art. Darunter sind Fälle, die Gesang selbst als "geradezu klassisch" bezeichnet: "Stellen Sie sich einen sehr turbulenten Tag in der Notaufnahme vor. Ein verwirrter Senior wird untersucht und behandelt - und anschließend ist sein Hörgerät verschwunden."

Ein anderes Beispiel: "Gegen eine Entzündung im Bein werden Antibiotika verordnet - und es kommt unerwartet zu allergischen Reaktionen." Oder ein drittes: "Ein Patient schreibt mir einen Brief: Er habe nach seiner Entlassung immer noch Beschwerden." Solche Vorfälle sorgen auf Patientenseite mitunter für beträchtlichen Ärger, auch für Angst. Sobald sie bekanntwerden, gehen diese Nachrichten im Klinikum zwei Wege: "Zunächst bekommt der Patient sofort eine Antwort, die sich genau mit seinem Fall beschäftigt", sagt Gesang. Denn es sei eine alte Erfahrung: "Massiver Ärger kommt bei Patienten auf, wenn sie sich aus irgendeinem Grund nicht ernstgenommen fühlen."

Deshalb gibt es am Klinikum auch regelmäßige Patientenrunden für offene Gespräche. Und nicht zuletzt können sich Patienten eines Beschwerdebogen-Formulars bedienen. Nachgegangen wird den Beschwerden auch intern. Es gibt, je nach Art des Vorgangs, Fallkonferenzen. Für diese Konferenzen werden Stellungnahmen aller Beteiligter eingeholt und ausgewertet. Den Erfolg dieser Fallkonferenzen kann Gesang belegen: "Nach einer solchen Konferenz hat es hier noch nie eine Patientenklage gegeben." Unabhängig davon steht es jedem Patienten natürlich frei, bei Verdacht auf falsche Behandlung einen Anwalt und die zuständige Gutachter-Kommission einzuschalten. Anders gelagert ist ein anderer Schwerpunkt von Drostes Arbeit. Denn abgesehen vom Umgang mit bereits vorliegenden Beschwerden hat das Klinikum eine Form des Risiko-Managements eingeführt.

Anders gesagt, eine Art Frühwarnsystem, das dafür sorgen soll, dass Fehlerquellen erkannt und beseitigt werden, bevor überhaupt Schaden entstehen kann. Risiken finden und abstellen, aus Fehlern klug werden, darum geht es. Ein Beispiel aus der Praxis: In einer Spüle wurde versehentlich das verkehrte Desinfektionsmittel eingefüllt. Die Ursache: "Es gibt vier fast identische Kanister, mit fast identischen Produktaufschriften, die Unterschiede stehen im Kleingedruckten, Das erhöht die Verwechslungsgefahr", erklärt Qualitätsmanager Droste. Die Reaktion: Festlegen, welches Mittel genau auf die Bestellliste gehört - und die anderen gar nicht erst ins Haus kommen lassen.

Das Frühwarnsystem hat die eher sperrige Abkürzung CIRS (Critical Incident Reporting System). Das heißt: Jeder Mitarbeiter ist aufgefordert, potenzielle Fehlerquellen zu melden. Ob anonym oder mit Namen ist egal. "Wobei wir sicherstellen, dass es uns nicht um die Suche nach etwaigen Schuldigen geht", betont Gesang. So legt eine Betriebsvereinbarung ausdrücklich fest, dass niemandem, der eine Fehlerquelle meldet, daraus ein Schaden entstehen darf.

Das CIRS bietet dem Haus zweierlei Nutzen: Zum einen erhöht es die Sicherheit für Patienten, zum anderen kommt CIRS aus versicherungstechnischen Gründen ins Spiel. Das Klinikum ist als kommunales Krankenhaus über den kommunalen Schadensausgleich haftpflichtversichert, nicht über eine Versicherung, die am Markt arbeitet. "Wir sind nicht verpflichtet, das System zu nutzen", sagt die Klinikum-Geschäftsführerin. Aber das Modell, vor drei Jahren bereits auch landesweit eingeführt, biete definitiv Vorteile.

(RP)
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