Remscheid Die Mutmacher vom Kremenholl

Remscheid · In dem zum Treffpunkt umgebauten Einkaufsladen "echt kremig" erfahren Kinder ungezwungene Unterstützung.

 Freuen sich auf den Mittwoch - dann öffnet die Kinder- und Jugendwerkstatt "echt kremig" ihre Tür und bietet Freiräume zum Spielen.

Freuen sich auf den Mittwoch - dann öffnet die Kinder- und Jugendwerkstatt "echt kremig" ihre Tür und bietet Freiräume zum Spielen.

Foto: jürgen Moll

Der Mittwoch gehört zu den Lieblingstagen des neunjährigen Lukas. Er braucht keine fünf Minuten von zu Hause aus bis in die Bernhardstraße 1 am Kremenholl. Für zwei Stunden steht die Tür zu "echt kremig" offen. Für alle Kinder aus dem Stadtteil, die zwischen sechs und zwölf Jahre alt sind. Herkunft, finanzielle Verhältnisse, Sprache, Talente - all das spielt an diesem Ort der Freiheit keine Rolle. Im Kremenholl herrscht nicht das Paradies, aber das Spielen nach Lust und Laune befördert das Selbstvertrauen in die eigenen Stärken und den Mut, sein Leben selbst zu gestalten. "Am liebsten spiele ich Verstecken und Fangen", sagt Lukas. Und die zwei Stunden gehen viel zu schnell vorbei. Mittwoch sollte es jeden Tag geben.

Stadtplaner und Bauherren auf dem Kremenholl haben die Kinder lange Zeit vergessen. Siedlungen entstanden am Waldrand, aber die versprochenen Kinderspielplätze blieben aus. Wohin am Nachmittag, wenn die Schule aus ist und der Kindergarten zu? So schufen in den 80er und 90er Jahren die Investoren die betonschwere Unwirtlichkeit der Städte. Die Kremenholler wollten das nicht hinnehmen.

Ein fester Kreis von Frauen betreut die Kinder in dem ehemaligen kleinen Einkaufsladen ehrenamtlich. In den14 Jahren, seit dem "echt kremig" besteht, gab es keine Woche, an dem die Mütter auf die Kinder hätten lange warten müssen. "Bei uns ist es anders als zu Hause", beschreibt Charlotte Lange (65) die Atmosphäre. Sie gehört zu den Gründungsmitgliedern des Vereins, dem Initiativkreis Kremenholl. Sie hat viele Kinder in ihrer Entwicklung erlebt, und manchmal fragt sie sich, was wäre aus ihnen geworden, wenn es nicht diesen Treffpunkt gegeben hätte. Der Mut, sich immer wieder der wilden Kinderschar zu stellen, hat sie und ihre Mitstreiterinnen nie verlassen.

Im Vergleich zu Stadtteilen wie Lennep oder Lüttringhausen leben am Kremenholl mehr Ausländer als Deutsche. Die Verteilung liegt bei etwa zwei Drittel zu ein Drittel. Da vermischen sich die Gewag-Siedlungen mit komfortableren bürgerlichen Wohnquartieren. Der Kremenholl zählt nicht zu den Problemvierteln der Stadt, auch wenn sie mancher Bürger dort fremder fühlt als früher. Das ist kein Zufall. Die Bewohner des Stadtteils sorgen mit viel Eigeninitiative für mehr Gemeinsamkeit.

Das hat auch Rita Haindl (72) gespürt, als sie vor Jahren aus dem Ruhrgebiet der Liebe wegen ins Bergische zog. "Ich wollte nach vier Wochen hier wieder weg", erinnert sie sich. Sie ist geblieben, nicht aus Bequemlichkeit, sondern aus Überzeugung. "Ich habe hier meine Freunde", sagt Haindl, die vor ein paar Jahren ihren Mann verloren hat. Remscheid ist ihre Heimat geworden. Und die Kinder von "echt kremig" tragen viel zu diesem Heimatgefühl bei. An manchen Tagen sitzt Rita Haindl nur in dem Spielraum. "Dann kommen die Kinder und wollen nur mal gedrückt werden", sagt Haindl. Zuwendung macht Mut.

"Bei uns wird Deutsch gesprochen", sagt Charlotte Lange. So lautet die Verabredung. Auch wenn nur türkische Kinder zum Spielen kommen. Bestimmte Regeln des Anstands, der Fairness und der Kooperation müssen eingehalten werden. "Es gibt auch schon mal die Gelbe Karte", sagt Lange. Diese Maßnahme soll dabei helfen, sich in eine Gemeinschaft zu integrieren. Das gilt auch für die Dienstagnachmittage. Dann öffnet die Werkstatt im Erdgeschoss, die die Kunstpädagogin Judith Mennenöh betreut. Fürs Malen, Basteln, Töpfern und Schnitzen ist sie bestens ausgerüstet. Ein eigener Brennofen ist auch vorhanden. Die Materialien und die Nebenkosten finanziert der Verein über Vermietungen. Der Raum ist begehrt, für Geburtstage und Hochzeiten. "Wir müssen etwa 600 Euro im Monat erwirtschaften", sagt Schatzmeisterin Lange. Das hat bisher gut funktioniert. Und manche Spende und die Unterstützung der Stadtsparkasse helfen bei Investitionen und Engpässen.

Zu der Generation der ersten Kinder, die das Angebot "echt kremig" wahrgenommen haben, gehört Marcel Knipparth. "Das war eine tolle Zeit", erinnert sich der 24-Jährige, der heute im Servicebereich des Schützenhauses arbeitet. Wenn Charlotte Lange oder andere aus dem Team der Mutmacher vom Kremenholl ins Restaurant am Stadtpark kommen, gibt es immer eine herzliche Begrüßung. "echt kremig" verbindet.

(RP)
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