Remscheid GEW: Kinder greifen Lehrer häufiger an

Remscheid · Schulrätin spricht von Einzelfällen. Vorsitzender berichtet von vielen Klagen der Lehrer und rät, Probleme zu benennen.

 Szenen aus einem Anti-Gewalt-Training in einer Grundschule. Im Alltag nehmen die verbalen und tätlichen Angriffe auf Lehrer zu, berichtet die Lehrergewerkschaft GEW in Remscheid.

Szenen aus einem Anti-Gewalt-Training in einer Grundschule. Im Alltag nehmen die verbalen und tätlichen Angriffe auf Lehrer zu, berichtet die Lehrergewerkschaft GEW in Remscheid.

Foto: Matzerath (Archiv)

Ein Alptraum für Pädagogen: Ein Grundschüler hat eine Lehrerin an einer Grundschule im niedersächsischen Clausthal-Zellerfeld bei einem Angriff so stark verletzt, dass sie im Krankenhaus behandelt werden musste und mehrere Tage dienstunfähig gewesen war, berichtete die örtliche Zeitung. Von solchen dramatischen Fälle sprach Remscheids Schulrätin Brigitte Dörpinghaus auf Anfrage der Linken zwar nicht, aber "von Einzelfällen, in denen Gewalt intensiver wurde". Insbesondere in "Festhaltesituationen" komme es vor, dass Grundschüler handgreiflich werden und Lehrer blaue Flecken davontragen.

Ganz anders reagiert Jürgen Gottmann, Vorsitzender der Lehrergewerkschaft GEW in Remscheid, auf die Frage nach Gewalt gegen Lehrer an den Remscheider Grundschulen: "Es passiert nicht tagtäglich, aber die Respektlosigkeit, die verbale und körperliche Gewalt gegen Lehrer nehmen an Grundschulen zu."

Auf einer Versammlung der GEW-Vertrauensleute seien viele empört gewesen, dass das Thema in der öffentlichen Sitzung des Schulausschusses bagatellisiert worden sei. Fakt sei, dass es an fast allen Remscheider Grundschulen Fälle von Gewalt gegen Lehrer gebe - wie überall landauf, landab. Gottmann berichtet von Lehrerinnen und Lehrern, die sich verzweifelt an die GEW wenden und "die manchmal heulend vor mir sitzen". Zahlreiche Mails erhielt er, in denen Pädagogen unterschiedliche Fälle von Gewalt gegen sie schilderten. Die Palette reichen von verbaler Gewalt wie Beleidigungen - "Nutte" oder "Schlampe" - über Spucken bis hin zu Schubsern und Tritten. Gottmanns, der pensionierter Rektor ist, bilanziert: "Lehrer sind gefährdeter als früher."

Weil die Schulleitungen bemüht seien, in der Konkurrenzsituation nach außen ein gutes Image aufrechtzuerhalten und "teilweise auch Anzeigen bei der Polizei verbieten", so Gottmann, fühlten sich viele Kollegen allein gelassen. Was tun? Der GEW-Vorsitzende appelliert an die Opfer, die Fälle im Kollegenkreis offen anzusprechen, das Problem in Lehrer- und Schulkonferenzen zu beschreiben. Es sei wichtig, die Fälle zu dokumentieren, die Schulleitung einzuschalten, konsequenter gegenüber den Kindern zu handeln sowie Mütter und Väter in die Pflicht zu nehmen.

Außerdem macht er den Lehrern Mut, bei Fällen von Gewalt die Polizei einzuschalten - "nicht um Anzeige zu erstatten, sondern um den Kindern klar zu machen, dass ihr Handeln Konsequenzen hat."

Mit vorbeugenden Maßnahmen versuche man, Gewaltausbrüche einzudämmen, berichtete Dörpinghaus vor den Schulpolitikern. In Fortbildungen sollen Lehrer lernen, wie sie pädagogisch richtig handeln, damit es nicht zu Übergriffen kommt. Aber sie rate auch, in bestimmten Fällen Anzeige bei der Polizei zu erstatten, das Jugendamt einzuschalten und Unterstützung bei der Schulpsychologischen Beratungsstelle zu suchen.

Dass sich das Verhalten der Kinder ändert, es häufiger zu verbalen und körperlichen Übergriffen kommt, bestätigt Gabriele Koch, Leiterin der Psychologischen Beratungsstelle bei der Stadt. Ihr Team werde immer wieder mit dem Thema konfrontiert. Die Schulpsychologen bieten Hilfe und Unterstützung an. Wichtig sei, die Kinder in der Auseinandersetzung mit dem Thema nicht als "kleine Monster" darzustellen, sondern den Ursachen von Gewalt auf den Grund zu gehen. Und die stecken nach Erfahrungen der Psychologen oft im familiären System: Eltern können mit der Erziehungsaufgabe überfordert sein. Oder Kinder können mit Gewalt auf ihre Situation, ihre Not aufmerksam machen. Der mangelnde Respekt vor Lehrern oder auch Polzisten sei nicht ein Problem unerzogener Kinder, sondern ein gesellschaftliches, erinnert Koch an Beispiele aus der Erwachsenenwelt.

(RP)
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