Heimat erleben Mit dem Velo-Taxi über die Trasse

Wuppertal · Lassen Sie sich doch mal auf der Nordbahntrasse chauffieren. Und gehen auf eine Entdeckungsreise über den Dächern von Wuppertal mit faszinie- renden Ausblicken.

 Christoph Hager und Sophie Blasberg vor dem Mirker Bahnhof (Utopiastadt) auf der Nordbahntrasse in Wuppertal.

Christoph Hager und Sophie Blasberg vor dem Mirker Bahnhof (Utopiastadt) auf der Nordbahntrasse in Wuppertal.

Foto: Jürgen Moll

Alte Produktionshallen mit den damals typischen, gezackten Sheddächern und unmittelbar angrenzende, mehrstöckige Wohnhäuser sind charakteristisch für die Talsilhouette der Industriestadt Wuppertal. Solche Ausblicke, wie sie heute wohl keine Baugenehmigung mehr ermöglichen würde, gehören zu den Ein- und Aussichten, die eine Tour mit dem Velo-Taxi über die Nordbahntrasse in Wuppertal bietet - eine Entdeckungsreise, die sowohl einheimischen wie auch an der bergischen Region interessierten Besuchern faszinierende Sichtweisen aus völlig neuer Perspektive verschafft. Denn die Trasse auf der ehemaligen Bahnstrecke - ein im vergangenen Jahr offiziell eröffneter Rad- und Wanderweg, auf dem keine motorisierten Fahrzeuge zugelassen sind - verläuft mitten durch die Stadt und führt über zahlreiche Viadukte, von denen aus sich den "Velo Taxi"-Passagieren ein nahezu uneingeschränkter Blick über die Dächer Wuppertals eröffnet.

Nach dem Saisonstart am 1. März (das Ende der Saison ist am 31. Oktober) kommen die fünf Velo-Taxen in Wuppertal jetzt wieder richtig ins Rollen. Für Pressesprecherin Sophie Blasberg von der "VeloTal GmbH", die die Velo-Taxen betreibt, ist es witterungstechnisch noch sehr früh in diesem Jahr. Auf der ersten Tour vor dem Osterfest war es zugegebenermaßen noch etwas frisch, allerdings: Wenn eine Velo-Taxifahrt schon bei nasskaltem Wetter ein beeindruckendes Erlebnis ist, wird der Ausflug bei Frühlings- und Sommer-Temperaturen eine ungleich angenehmere, wenn auch nicht weniger faszinierende Freizeit-Aktivität sein.

Zeitgleich mit der Fertigstellung der Nordbahntrasse in 2014 starteten die fünf Velo-Taxen in Wuppertal. Ein- oder zweistündige Rundfahrten auf der Nordbahntrasse gehören genauso zum Angebot wie Stadtrundfahrten in Elberfeld - Kostenpunkt: 25 Euro pro Stunde. Dafür können zwei Passagiere hinter dem Fahrer im Velo-Taxi Platz nehmen, eine Decke für die Beine (zu dieser Jahreszeit durchaus nützlich) gehört dazu. Wichtiger ist jedoch das Wissen der Fahrer, die den Passagieren einiges aus der Geschichte Wuppertals zu berichten haben und geschult den Blick der Zuhörer in die richtigen Richtungen lenken.

Als "Cheffahrer" bezeichnet Sophie Blasberg den 57-jährigen Christoph Hager, der bei der ersten Tour 2016 in die Pedale tritt: "Er kümmert sich um vieles", sagt die 23-Jährige und lacht. Wie für die übrigen zehn Fahrer, die für "VeloTal" im Einsatz sind, geht es hier nicht um einen 08-15-Job: "Das ist schon etwas Besonderes. Wer mit einem Velo-Taxi unterwegs ist, bekommt von allen Menschen, die ihm begegnen, interessierte Blicke und mindestens ein Lächeln geschenkt", sind sich Blasberg und Hager einig.

An seiner Lieblingsstelle auf der Nordbahntrasse, auf dem Bartholomäus-Viadukt, hält Christoph Hager das dreirädrige Gefährt an. Die Blicke schweifen ins Tal. Im Hintergrund fährt die weltbekannte Schwebebahn. "Dieser Ausblick hier auf Barmen und Elberfeld mit den typischen Industrie-Wohnungen und Hinterhof-Bebauungen weckt in mir Heimatgefühle", kommentiert der ursprünglich aus Duisburg stammende Hager, der hauptberuflich als Tischler arbeitet.

"Wer mit dem Velo-Taxi fahren möchte, kann seine Tour ganz individuell bei uns buchen. So gibt es Leute, die in Vohwinkel parken, sich dort von uns abholen lassen, nach Elberfeld und Barmen fahren und dann mit der Schwebebahn zurück nach Vohwinkel kommen. So erleben sie viel Wuppertal-Typisches auf einem Ausflug", weiss Sophie Blasberg.

Ein beliebter Treffpunkt ist zudem der Mirker Bahnhof, der die Utopiastadt beherbergt. Dort ist auch Start und Ziel der ersten Tour 2016 über die Nordbahntrasse. Viele der ehemaligen Bahnhöfe an der Trasse verfallen nicht etwa, sondern haben zukunftsweisende Nutzungen gefunden - zahlreiche gastronomische Einrichtungen gehören natürlich dazu. "Die Nordbahntrasse verbindet viele Wuppertaler Stadtteile auf sehr kurzem Weg. Das hat Investitionen nach sich gezogen, viele Immobilien an der Trasse haben eine Aufwertung erfahren", erläutert Sophie Blasberg, die Wuppertal in einer Aufbruchstimmung sieht und sich freut, dass das Velo-Taxi-Projekt ein gelungener Teil davon ist: "Das ist ein Identifikationspunkt!" So verwundert es nicht, dass viele Wuppertaler das Gefährt nutzen. "Gerne verschenken Kinder oder Enkel eine solche Tour und fahren dann mit dem eigenen Fahrrad nebenher. Selbst Alteingesessene erleben hier eine neue Perspektive. Die älteste Passagierin war über 100 Jahre alt", erzählt die Pressesprecherin. Und Fahrer Christoph Hager fügt hinzu: "Man lernt hier viele interessierte, nette Menschen kennen und erfährt von denen, die auf der Trasse noch Züge haben fahren sehen, manch eine Anekdote. Diese kann ich dann wiederum weiter erzählen. Das macht den Charme aus."

(RP)
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