Remscheid Wollte Mann seine Frau verbrennen, weil sie ihn für einen Versager hielt?

Remscheid · Die Psychologin hat keinen Zweifel: "Der Angeklagte wusste, was er tat." Nur, was er wirklich getan hatte, das konnte sie nicht sagen. Das Landgericht Wuppertal klagt den 37-Jährigen an, in der Bachtalrunde in Remscheid versucht zu haben, seine Ex-Frau anzuzünden. Er soll sie bereits mit Benzin besprüht haben. Offensichtlich kam er nicht mehr dazu, den Brandbeschleuniger anzuzünden, weil ein beherzter Rentner ihn in die Flucht geschlagen hatte. Die Fragen, die sich das Gericht stellt, sind: War der Angeklagte fest entschlossen, seine Ex-Frau zu verbrennen und hat er in dieser Absicht versucht, sie anzuzünden? Oder wollte er sie nur erschrecken, als er sie mit Benzin besprühte?

Der Angeklagte schweigt zu den Vorwürfen. Wenngleich viele Indizien für ihn als Verursacher des Benzinangriffs sprechen, hat die eigentliche Tat niemand gesehen. So stieg die Spannung, als die Sachverständige mit ihrem Gutachten begann. Sie hatte den Angeklagten im Gefängnis befragt und ihn während des Prozessverlaufs beobachtet.

Schwierig sei für sie das Schweigen des Angeklagten zum eigentlichen Geschehen, sagte sie. Er bekundete stets: "Dazu sage ich nichts". Die Ehe zwischen dem Angeklagten und seiner Ex-Frau schien von Anfang an problematisch gewesen zu sein: Er war ohne Eltern als Jugendlicher in Istanbul herangewachsen, hatte keine Ausbildung. Im Alter von 17 Jahren kam er nach Deutschland und fand sich schnell in einer arrangierten Ehe wieder. Beide hatten sich vor der Eheschließung nicht gesehen. Er war 19, als das erste Kind kam, sie 18. Beide litten unter permanente Geldsorgen, das zweite Kind kam zur Welt, Gelegenheitsjobs wechselten mit Zeiten der Arbeitslosigkeit. In den Augen der Frau wurde er zum Versager, "der nichts aufbauen konnte". Sein Versuch, sich in Spielhallen Geld zu besorgen, misslang. Auch schaffte er es nicht, den Führerschein zu machen. Streitereien waren an der Tagesordnung. Der Mann reagierte überfordert. Sozialem Rückzug folgten Depressionen. Das Paar trennte sich.

Nun auf sich allein gestellt, versuchte er nur halbherzig, psychologische Hilfe zu suchen. Auch litt er unter Asthma. Zweimal wiesen ihn Ärzte in eine Klinik ein, aber er wollte nicht über seine Probleme reden. Medikamentös unzureichned eingestellt, hauste er in einer Wohnung mit einer Matratze und lebte aus dem Koffer. Depressionen, auch in Verbindung mit Suizidgedanken, kamen und gingen. Am Tattag wird er auch unter Depressionen gelitten haben, sagte die Gutachterin in ihrem Fazit. Welche Auslöser für Gewalt beim Angeklagten in Zukunft eine Rolle spielen werden, konnte sie nicht sagen. Auch deshalb sei es wichtig, ihn zum Sprechen zu bringen. "Ich habe Angst", sagte die Ex-Frau nach der Verhandlung. Das Urteil wird morgen erwartet.

(begei)
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