Alpen "Der Tod lässt sich nicht versachlichen"

Alpen · Für den Alpener Pfarrer Dr. Becks hat es im Streit ums Krematorium an Sensibilität gefehlt. Heute spricht er in Menzelen.

 "Von guten Mächten wunderbar geborgen . . ." Für Pfarrer Dr. Hartmut Becks ist das Grabfeld auf dem Alpener Friedhof ein tröstliches Beispiel, dem Verlust an Trauerkultur entgegenzuwirken.

"Von guten Mächten wunderbar geborgen . . ." Für Pfarrer Dr. Hartmut Becks ist das Grabfeld auf dem Alpener Friedhof ein tröstliches Beispiel, dem Verlust an Trauerkultur entgegenzuwirken.

Foto: Armin Fischer

In der hitzigen Kontroverse um den Bau des Krematoriums im Gewerbegebiet Birten waren beim Scharmützel unversöhnlicher Positionen zwischenzeitlich auch Rufe nach Versachlichung vernehmbar. "Genau da liegt das Problem", sagt jetzt Dr. Hartmut Becks, Pastor der Evangelischen Kirchengemeinde Alpen, im RP-Gespräch. "Den Tod zu versachlichen, das ist unmöglich", formuliert der Theologe seine Grundthese.

Er ist überzeugt, dass mangelnde Sensibilität - "auf allen Seiten" - letztlich dazu geführt hat, dass eine Chance vertan worden ist. Nämlich die, angemessen über ein zentrales Menschheitsthema miteinander ins Gespräch und damit möglicherweise zu einer Lösung zu kommen, für die Akzeptanz zumindest möglich gewesen wäre. "Aus aktuellem Anlass", heißt es in der Einladung zu seinem Vortrag über "Die Trauer- und Bestattungskultur in Deutschland", den Becks heute Abend um 19 Uhr im Ev. Gemeindezentrum in Menzelen-Ost hält. Seine Frage lautet: "Tod - und was dann?"

Dabei gehe es ihm gar nicht so sehr um die Art der Bestattung, sagt Becks. "Tote zu verbrennen, halte ich theologisch für kein Problem." Auch auf dem Lande seien Feuerbestattungen ein Trend. Ihm gehe es wesentlich um die "Kultur des Trauerns". Hier sehe er Entwicklungen, die ihm nicht gefallen. "Mit scheint es, dass wir in der modernen Gesellschaft Wege suchen, sachlich mit dem Tod umzugehen", so sein Eindruck. "Aber den Weg gibt es nicht - jedenfalls nicht, ohne Verlust." Der Tod, die Endlichkeit lasse niemanden kalt. Das erfahre er als Seelsorger ständig. "Der Tod ist ein zentrales Lebensthema, das Menschen im Innersten berührt und niemanden gleichgültig lässt."

Deshalb habe der Versuch der Stadt Xanten, den Bauantrag für das Krematorium als laufendes Geschäft der Verwaltung zu behandeln - so als handele es sich um die Ansiedlung irgendeines Gerwerbebetriebes -, scheitern müssen.

Es sei zweifellos nachvollziehbar, dass Bedarf an solchen Anlagen bestehe. "Das sehen wir allein daran, wie lange wir of warten müssen, bis wir die Urne beisetzen können", so der Pastor. Die Verantwortlichen im Rathaus aber hätten erkennen müssen, dass man mit diesem "unfassbaren Thema" nicht so sachlich umgehen darf. Er wolle nicht als Moralist auftreten, so Becks, schon gar nicht als jemand, der es besser weiß. Er versteht sich als Mahner für mehr Sensibilität, als Anwalt, der die Bedeutung von Trauerkultur ins Spiel bringt, sie verteidigt, der sich mächtigen Bestrebungen, "den Tod aus der Öffentlichkeit zu verdrängen" entgegenstellt. Trauer sei unverzichtbar. Sie bringe, auch wenn sie schmerzlich sei, Heilung und ermögliche erst Versöhnung. Finde sie keinen Ausdruck, blieben Wunden. Das schade allen. "Man hätte beim Krematorium nicht nur über den Tod als ökonomischen Fakt sprechen sollen, sondern auch über einen würdigen Andachtsraum, in dem Empfindungen einen sicheren Ort haben", sagt der Theologe. Fehle die kulturelle Einbindung der Trauer, gehe den Menschen etwas verloren.

"Es kann für Trauernde so tröstlich sein, sich fallenlassen zu dürfen, so Becks. Es stehe letztlich die Würde auf dem Spiel: "Wie wir mit den Toten umgehen, gehen wir letztlich auch mit den Menschen um", so Becks. "Darauf müssen wir Obacht haben, damit Trauerkultur am Ende nicht zur reinen Entsorgungskultur verkommt." Über diesen Ansatz hätte man mit den Menschen über das höchst unsachliche Thema Tod so ins Gespräch kommen können, dass sich nicht gleich zwei Lager unversöhnlich gegenüberstehen.

Als gutes Beispiel für eine angemessene Antwort auf eine sich verändernde Trauerkultur bezeichnet Becks das Gemeinschaftsgrabfeld auf dem Friedhof in Alpen. Hier werden die Urnen unter der Rasenfläche begraben. Die Namen der Toten aber sind in Stein gemeißelt auf grauen Granitblöcken und so der Anonymität und damit dem Vergessen entrissen. Der zentrale Stein im Zentrum des Gräberfeldes ist ein Monument des Trostes. Er zitiert Dietrich Bonhoeffer: "Von guten Mächten wunderbar geborgen . . ."

(RP)
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