Solingen Ein großer Jubelgesang des Glaubens

Solingen · Zum 100. Geburtstag ihrer Kirche präsentierte die Dorper Kantorei eine Aufführung von Bachs h-Moll-Messe.

 Die Dorper Kantorei sang aus Anlass des 100. Geburtstags ihrer Kirche die h-Moll-Messe von Bach.

Die Dorper Kantorei sang aus Anlass des 100. Geburtstags ihrer Kirche die h-Moll-Messe von Bach.

Foto: Stephan Köhlen

Barocke Bollerpauken, grausig verstimmte Darmsaiten, misstönende Naturhörner und ähnlicher Unfug: Man möge doch das Publikum mit den "gnadenlosen Originalinstrumenten" verschonen, schreibt Herbert Rosendorfer. Sicher, eine Polemik. Ernster ist es da dem Schriftstellerkollegen Wolfgang Hildesheimer: Können wir Bachs Musik überhaupt noch so verstehen, wie sie gemeint war? Die Werke Bachs haben uns Heutigen nicht nur viel zu sagen, sie lassen auch fühlen. Das macht ihre Größe aus. Ein beeindruckendes Beispiel dafür war die Aufführung der Messe in h-Moll in der Dorper Kirche.

Zum 100. Geburtstag der Kirche schenkte die Dorper Kantorei dieses wohl größte Werk des Thomaskantors in einer beglückenden Aufführung den Besuchern. Kantorin Stephanie Schlüter leitete ihre Sänger und Musiker umsichtig und zugleich fordernd. Für die Begleitung sorgte das von Andreas von Pavel einstudierte Bergische Barockorchester - natürlich mit historischen Instrumenten. Die machten nicht nur Sinn, sondern gaben der Aufführung einen besonderen Effekt. Barocke Instrumente haben nicht nur einen anderen Klangcharakter als ihre modernen Nachfahren. Sie klingen wärmer, rauer, aber doch feiner. Deshalb sind sie auch leiser. Man braucht also keine Gesangssolisten, die gegen ein modernes Instrumentarium anbrüllen müssen.

So kann Schlüter ganz auf ein lyrisches Solisten-Quintett setzen. Die Sopranistinnen Benita Borbonus und Hildegard Keller umschmeicheln sich stimmlich etwa im "Christe Eleison". Dieser Abschnitt ist auch ein schönes Beispiel für die straffe Tempowahl der Kantorin, die etwa den Jubel des Chores zu Beginn des "Gloria" fast tanzen lässt. Jugendlich und wendig präsentiert sich Altistin Maria Hoffmann, die dem "Agnus Dei" warmen Glanz verleiht. Als wendiger Tenor und volltönender Bass ohne Schwere ergänzen Max Ciolek und Thilo Dahlmann das Solisten-Ensemble.

Gestaltungshoheit über das Werk hat aber der stimmlich, zahlenmäßig und qualitativ groß aufgestellte Chor. Die ganze dynamische Spannbreite ruht auf den Schultern der Kantorei - und wird eindrucksvoll umgesetzt. So steigert sich das sanft beginnende, abschließende "Dona nobis pacem" zu einem kraftvollen Ruf nach Frieden. Der Abschlusschor des "Gloria" - harmonisch besonders aufgeladen - setzt nicht nur "attacca" - also ohne Pause - ein, sondern bringt auf überzeugende Weise eine Temposteigerung, die der Chor zu einem Triumph der "Herrlichkeit Gottes" gestalten kann. Dieser Abschnitt ist auch ein Beispiel für die präzise Vokalgestaltung der Sänger: Deutliches, fast pausierendes Absetzen lässt die Melismen perlend hervortreten und verleiht dem Wort "Gloria" formgebende Kraft. Perfekt ausbalanciert innerhalb des Chores und zusammen mit dem Orchester erscheint das gewaltige "Sanctus". In zum Schwingen gebrachten Triolen wird das "Heilig" in den fünf oberen Chorstimmen zum Jubelgesang, der nur von den Blechbläsern überschmettert wird. Wer da aber heilig ist, verrät der Bass im markant umgesetzten "Dominus Deus Sabaoth". Homogenität und souveräne Stimmführung zeichnen hier die Dorper Kantorei aus. Nur so kann ein Meilenstein der Musikgeschichte wie Bachs "Hohe Messe" wirklich gestaltet werden. Die stehenden Ovationen in der voll besetzten Kirche bezeugen das. Kantorin Schlüter entschuldigt sich zwar auf ihre sympathische Art für den einen oder anderen Patzer. Die aber sind belanglos. Was in Erinnerung bleibt, ist ein großartiges musikalisches Erlebnis.

(crm)
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