Solingen Hausärzte finden oft keinen Nachfolger

Solingen · Bis 2030 werden in Solingen 17 Hausärzte fehlen. Viele Ärzte suchen schon jetzt einen Nachfolger. Doch die sind schwer zu finden. Für neue Hausärzte gilt aktuell ein Niederlassungsverbot in der Stadt. Sie dürfen keine neue Praxis gründen.

Innerlich, sagt Dr. Claudia Muzzetto, habe sie sich bereits darauf eingestellt, irgendwann alleine zu sein. Zwar schätzt die Fachärztin für Innere Medizin den Austausch mit ihrem Kollegen Dr. Gerhard Steuer, mit dem sie die Praxis an der Mankhauser Straße betreibt. Aber irgendwann wird der Arzt einen Nachfolger brauchen, wenn er in den Ruhestand geht. Einfach wird die Suche nicht. Denn überall im Land fehlt es an jungen Medizinern, die Hausärzte werden wollen.

53,88 Jahre waren die rund 100 Hausärzte in Solingen 2013 im Durchschnitt alt. Viele von ihnen werden schon in einigen Jahren in den Ruhestand gehen, oft ohne einen Nachfolger zu finden. Zuletzt wurden daher in der Stadt bereits einige Praxen geschlossen. "Es ist ein schleichender Prozess", sagt Dr. Martin le Claire, Vorstandsmitglied der Kreisstelle der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein. Bis zum Jahr 2030 werden nach Schätzungen 17 Hausärzte in Solingen fehlen.

Das bleibt nicht ohne Folgen. Die einzelnen Ärzte werden sich um mehr Patienten kümmern müssen. Dabei ist der Job mitunter jetzt schon stressig. In einer Umfrage gab eine Mehrheit der Ärzte zuletzt an, gerne mehr Zeit für die Patienten haben zu wollen. Doch das Gegenteil wird der Fall sein. 2010 betrug das Verhältnis Einwohner je Hausarzt 1556 zu 1, 2030 wird es Schätzungen zufolge bei 1709 zu 1 liegen.

"Ich rechne damit, dass die Belastung in Zukunft steigen wird - allein schon durch den demografischen Wandel", sagt Martin Schmelzer, Facharzt für Innere Medizin. Immerhin seien schon im vergangenen Jahr zwölf Hausarztstellen in Solingen unbesetzt geblieben. Trotzdem hat sich der 39-Jährige bewusst vor zweieinhalb Jahren dazu entschieden, in eine Gemeinschaftspraxis an der Grünewalderstraße einzusteigen.

Denn obwohl Hausärzte im Vergleich zu vielen Fachärzten oft weniger gut verdienen, hat der Beruf viele Vorzüge. "Im Unterschied zum Krankenhaus, wo man die Leute meist nur akut betreut, kennt man seine Patienten als Hausarzt oft viele Jahre lang", sagt Martin Schmelzer. Ähnlich drückt es Claudia Muzzetto aus: "Wir sind für manche Patienten wie ein Familienmitglied".

Zwei bis drei Hausbesuche absolviert die 47-jährige Ärztin pro Tag - einen Großteil davon mit dem Fahrrad. Auf die Besuche will sie auch bei steigenden Patientenzahlen nicht verzichten. "Das würde ich moralisch und menschlich nicht gut finden". Immerhin begleite man viele Patienten oder sogar ganze Familien über Jahre hinweg. Zwischen Arzt und Patient entsteht so häufig ein besonderes Vertrauensverhältnis, dass auch bei der Behandlung hilfreich ist.

"Wir betreiben ganzheitliche Medizin", sagt Martin le Claire, im Hauptberuf ebenfalls Facharzt für Innere Medizin. Das heißt im Klartext: Es ist hilfreich, wenn Ärzte bei der Diagnose auch die privaten Umstände des Patienten kennen. Das mache die Fachrichtung besonders, findet Martin le Claire: "Man muss den Job mögen, aber wenn man es tut, gibt er einem auch Erfüllung."

In einigen Regionen fehlen schon heute Ärzte, die Hausbesuche machen. "In Ostdeutschland gibt es schon Modellversuche, bei denen die Hausbesuche anstelle der Landärzte durch qualifiziertes Praxispersonal durchgeführt werden", sagt Martin Schmelzer, der im Osten in Halle an der Saale in einer Klinik gearbeitet hat. Im Vergleich dazu geht es Solingen sehr gut. So gut, dass die Kassenärztliche Vereinigung zuletzt eine Sperre über die Stadt verhängte. Neue Hausärzte dürfen sich hier aktuell nicht mehr niederlassen. Sie sollen sich stattdessen lieber in anderen Regionen ansiedeln, in denen die Mediziner dringender gebraucht werden.

Claudia Muzzetto ärgert sich über diese Politik: "Menschen sind doch keine Schachfiguren." Welche Folgen die Sperre hat, durfte Claudia Muzzetto bereits erleben. Sie plante, eine befreundete Ärztin aus Köln mit in die Praxis zu holen. Die Idee war, dass ihr Kollege den Ruhestand langfristig vorbereiten kann, indem er nach und nach Arbeit an die neue Kollegin abgibt. So wäre der Übergang fließend gewesen. Doch das Modell, entsprach nicht den Vorgaben der Kassenärztlichen Vereinigung. Ihr Kollege hätte komplett aufhören müssen. "Jetzt öffnet meine Freundin ihre Praxis in Köln", sagt Claudia Muzzetto. Die Nachfolgersuche geht weiter.

(RP)
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