Solingen Missbrauch nach 22 Jahren vor Gericht

Solingen · Etwas fahrig, ja fast schon ein bisschen widerwillig erhob sich der Mann von der Anklagebank in Saal 106 des Solinger Amtsgerichts und folgte seinem Verteidiger nach draußen. Eben noch hatte der Vorsitzende Richter des Schöffengerichts mit Engelsgeduld auf den Kölner eingeredet. "Wenn sie sich etwas haben zu Schulden kommen lassen, sollten sie jetzt gestehen", hatte der Jurist dem Mittfünziger ans Herz gelegt. Denn nur dann, und nicht etwa nach einer späteren Einlassung unter dem Druck vielleicht unwiderlegbarer Beweise, könne sich ein solches Geständnis strafmildernd auswirken.

Doch es half alles nichts. Die Unterbrechung des Missbrauchsverfahren dauerte nur wenige Minuten, da öffnete sich die Tür zum Sitzungssaal auch schon wieder, und dem Rechtsanwalt blieb nichts weiter, als noch einmal die Haltung seines Mandanten zu referieren: "Er sagt, dass er unschuldig ist." Und so wird demnächst ein ganz anderer Mann einen Weg antreten müssen, der ihm ungleich schwerer fallen dürfte, als es jetzt die paar Schritte ins Foyer des Justizgebäudes an der Goerdelerstraße für den Angeklagten gewesen waren. Ende Juli soll das Verfahren fortgesetzt werden – dann aber mit dem mutmaßlichen Opfer des Kölners im Zeugenstand.

Vor 22 Jahren soll sich der Beschuldigte an dem heute erwachsenen Sohn einer einstigen Freundin vergangen haben. Der Mann lebte damals mit der Frau und dem Kind in einem gemeinsamen Haushalt in Solingen. Und er kümmerte sich auch um den damals Vier- bis Sechsjährigen, versorgte ihn, brachte ihn zum Kindergarten.

Allerdings, laut Anklage soll der Mann das Vertrauen, das in ihn gesetzt wurde, schlimm ausgenutzt haben. Dem nicht einschlägig Vorbestraften wird zur Last gelegt, den kleinen Jungen in Abwesenheit der Mutter gequält zu haben. Heraus kam die ganze Sache allerdings erst Jahrzehnte später im Zusammenhang mit einem anderen Verfahren, während dem sich das Opfer von einst offenbarte. Ein mögliches Opfer, dem nun der Gang vor Gericht sowie die Konfrontation mit dem mutmaßlichen Peiniger nicht erspart bleiben wird. Sollte der Angeklagte schuldig gesprochen werden, wofür nach derzeitigem Ermittlungsstand eine Menge spricht, würde er aufgrund des lange zurückliegenden Tatzeitraums zwar noch nach dem alten, milderen Sexualstrafrecht verurteilt werden. Aber auch dieses sieht Strafen zwischen sechs Monaten sowie zehn Jahren vor.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort