Solingen Mit dem Kontrabass zu Casanova

Solingen · Mit seiner neuen CD lädt Kontrabassist Frank Kistner zu einer literarisch-musikalischen Reise nach Venedig ein.

Benedetto Marcello gibt seinen musikalischen Kollegen Saures. Egal ob Komponist, Musiker, Gönner oder Primadonnenmütter: Alle bekommen ihr Fett weg. Und natürlich die Sänger: "Unter gar keinen Umständen darf der moderne Gesangsvirtuose je Stimmübungen gemacht haben und sollte dies auch in Zukunft unterlassen, will er nicht etwa riskieren, eine sichere Stimme zu bekommen, saubere Töne zu singen, im Tempo zu bleiben. Solche Details sind heute nicht mehr gefragt." 1722 schreibt der Komponist seinen satirischen Text über das Operngezappel in Venedig. Mit der nötigen Süffisanz trägt Frank Kistner vor, was Marcello so zu Papier gebracht hat. Nach der Musik ist die Literatur die zweite Leidenschaft des 45-jährigen Solingers. Neben seiner Lehrtätigkeit an der Musikschule ist er 2. Solo-Kontrabassist der Dortmunder Philharmoniker. Mit seiner neuen CD lädt er nun zu einer spannenden Reise ins Venedig des 18. und 19. Jahrhunderts ein: "Venedig - Mit dem Kontrabass in die Lagunenstadt".

Dabei kam das Projekt fast zufällig zustande. "Von einer privaten Musikschule in Schwerte wurde ich gefragt, ob ich einen Abend mit Musik und Literatur gestalten könne", erzählt Kistner. "Zu dieser Zeit beschäftigte ich mich gerade mit der Musik von Domenico Dragonetti - einem aus Venedig stammenden Kontrabass-Solisten." Da lag das Thema auf der Hand. "Selbst wenn man sich nur kurz mit dieser Stadt beschäftigt, kommt man ganz schnell auf Künstler und Literaten, die damit zu tun haben." Eigentlich sollte es nur eine Demo-CD werden.

"Aber wenn du schon mal im Studio bist, machen wir etwas richtiges daraus", berichtet Reinhard Finke vom Solinger Valve-Records-Studio, wo Kistner und seine Mitstreiter im Laufe des vergangenen Jahres die CD aufgenommen haben. "Das war natürlich auch für mich spannend", so Finke, "denn der Kontrabass ist ein Instrument mit sehr vielen individuellen Klangmöglichkeiten." Da musste sich auch der Herr der Regler in die Materie knien. Aber was dabei herausgekommen ist, lässt sich mehr als hören. Die Tontechnik stimmt und ein überragend spielender Frank Kistner führt in die Klangwelt dieses ungewöhnlichen Instrumentes. Mal solistisch, mal begleitet von den befreundeten Musikern Eriko Nakajima-Yamamoto (Klavier) und Philipp Spätling (Cembalo) erklingen beeindruckend Werke der venezianischen Komponisten Domenico Dragonetti, einer der ersten Virtuosen auf diesem Instrument, und Benedetto Marcello.

Daneben liest Kistner den giftig-witzigen Text von Marcello sowie Auszüge aus den Memoiren von Giacomo Casanova, der in Venedig Günstling der jungen wie der alten Damen war, sowie poetische Texte von Lord Byron, der ab 1816 in der Lagunenstadt lebte, arbeitete und natürlich auch liebte. "Ich rezitiere sehr gern", sagt Kistner, der auch oft im Höhscheider Salon 122 den Kontrabass mit dem Manuskriptblatt vertauscht. "Musik und Sprache sind ja sehr ähnlich: Noten und Worte stehen fest. Aber beide müssen interpretiert und mit Leben gefüllt werden. Da Reinhard Finke ja nicht nur mit Musikern, sondern auch mit Schauspielern im Studio arbeitet, konnte er mir viele Tipps geben", so Kistner. "Das war eine sehr schöne Erfahrung für mich."

Seit 1995 ist Frank Kistner Mitglied der Dortmunder Philharmoniker und sitzt auf dem Orchesterpodium wie auch im Operngraben. Zuvor studierte er in Essen und Würzburg. Aber wie kommt man bloß zu einem Kontrabass? "Mit zwölf Jahren habe ich mit Gitarre angefangen." Klassisch natürlich, dann kam der Jazz dazu, dann die Band. "Ich war in der Schuljazzband des Gymnasiums Schwertstraße. Da stand ein ungenutzter Kontrabass herum." Auf dem hat Kistner probiert - und die Liebe zu diesem schwergewichtigen, aber wendigen Instrument entdeckt. Wer möchte, kann sich einfach im Sessel sitzend von Frank Kistner auf eine musikalisch virtuose und literarisch muntere Reise gen Venedig aufmachen.

(RP)
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