Solingen Wo Gotteslohn nicht reicht

Solingen · Der schnöde – zu knappe – Mammon ist es, der die Lutherkirchengemeinde in eine Krise getrieben hat. Die Mitglieder haben keine Lust mehr, immer nur entscheiden zu können, wo als nächstes der Rotstift angesetzt wird.

Der Fall der Lutherkirchengemeinde ist einzigartig im Rheinland. So einzigartig, dass selbst das Landeskirchenamt erst genau prüfen musste, wie mit der evangelischen Gemeinde in Solingen-Mitte und Höhscheid zu verfahren ist. Das Problem: Nach dem Rücktritt des Finanzkirchmeisters im Februar 2009 hatte sich niemand gefunden, der den verantwortungsvollen ehrenamtlichen Posten übernehmen wollte. "Und damit war das Presbyterium arbeitsunfähig", berichtete Superintendent Klaus Riesenbeck gestern in einem Pressegespräch.

Die Folge: Der Kreissynodalvorstand des Evangelischen Kirchenkreises Solingen beschloss am 3. Juli, einen Bevollmächtigtenausschuss einzusetzen. Gestern Abend traf sich das Gremium in seiner konstituierenden Sitzung. Ihm gehören neben Pfarrer Hans-Wilhelm Ermen, der den Vorsitz übernommen hat, sieben Gemeindemitglieder an. Ein weiteres wird im August dazukommen.

Eigentlich soll die Lutherkirchengemeinde nur so kurz wie möglich unter dieser Zwangsleitung stehen. Doch wie es aussieht, wird sie bis 2012 im Amt sein. Denn laut Riesenbeck lohnt es sich nicht, aufwendige Presbyterwahlen für 2011 vorzubereiten, wenn ein Jahr später ohnehin neu gewählt wird. Der Bevollmächtigtenausschuss hat nun eine schwere Aufgabe vor sich. Ihm obliegt es, jemanden für den Posten des Kirchmeisters zu gewinnen.

Viel Arbeit, wenig Ruhm

Der bisherige Amtsinhaber hatte nach rund vier Jahren das Handtuch geworfen. "Die Arbeitsbelastung war für ihn sehr hoch, weil das Gemeindeamt umstrukturiert wurde und wir Hauptamtlichen ihm deshalb nicht so zuarbeiten konnten, wie wir es gemusst hätten", gibt Klaus Riesenbeck zu, der zugleich Pfarrer in der Lutherkirchengemeinde ist. Darüber hinaus habe es im Presbyterium Streit über eine Sachfrage gegeben. Die Umstrukturierung sei aber nun beendet, so dass die Arbeitsbelastung für den nächsten Kirchmeister nicht mehr ganz so groß werde. Pfarrer Hans-Wilhelm Ermen weiß, dass es angesichts immer knapperer Kirchenkassen schwer wird, Leute zu motivieren, neben Arbeit und Familie das finanzielle Krisenmanagement für die Gemeinde zu übernehmen und für unpopuläre Entscheidungen auch noch Prügel einzustecken. Vorerst hat er die Aufsicht über das Gemeindebudget von rund 2,24 Millionen Euro.

Marie Luise Hasler hat nach elf Jahren Presbyteriums-Tätigkeit vorerst ebenfalls die Nase voll. Die 47-Jährige hat in ihrer Gemeinde miterlebt, wie zwei Kindergärten geschlossen, 2,5 Stellen von Gemeindemitarbeitern und eine Pfarrstelle gestrichen wurden. "Dabei war ich angetreten, um die Gemeinde inhaltlich mitzugestalten", erzählt die Mutter von zwei Teenagern. "Doch das ist auf der Strecke geblieben, weil so viele Probleme bewältigt werden mussten, zum Beispiel die kaputte Heizung oder Elektrik der Lutherkirche."

Hasler betrachtet auch die gesellschaftlichen Veränderungen als einen Grund dafür, dass sich immer weniger Menschen ehrenamtlich engagieren. "Meine Kinder sind bald groß", sagt sie. Mehr Zeit habe sie aber nicht, weil sie statt dessen wieder mehr arbeiten gehe. "Und auch Männer mit berufstätigen Frauen haben weniger Zeit als frühere Generationen, weil sie ja nun im Haushalt mithelfen müssen."

Kirche betrachtet es als Einzelfall

Superintendent Riesenbeck glaubt allerdings nicht, dass jetzt eine Welle von Notvorständen in Form von Bevollmächtigtenausschüssen auf die Solinger Gemeinden zurollt. "Der Fall der Lutherkirchengemeinde ist sehr speziell", sagt er. "Wir haben im Stadtgebiet viele hochengagierte Finanzkirchmeister, die ihren Job mit Herz ausüben."

(RP)
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