Tönisvorst In den Anfangsjahren der Bundesrepublik

Tönisvorst · Der in Vorst lebende Autor Sebastian Thiel führt den Leser in seinem neuen Kriminalroman "Das Adenauer-Komplott" in das Rheinland der Jahre 1944 bis 1957. Ihm gelingt dabei eine spannende Mischung aus Zeitgeschichte und Fiktion.

 Autor Sebastian Thiel mit seinem neuesten Buch im Arbeitszimmer seines Vorster Heimes: An den Wänden sind Anzeigen seiner früheren Bücher zu sehen. In den Schreibphasen arbeitet er dort am liebsten zwischen 23 und 6 Uhr.

Autor Sebastian Thiel mit seinem neuesten Buch im Arbeitszimmer seines Vorster Heimes: An den Wänden sind Anzeigen seiner früheren Bücher zu sehen. In den Schreibphasen arbeitet er dort am liebsten zwischen 23 und 6 Uhr.

Foto: BRINKMANN

Vor 50 Jahren, am 19. April 1967, starb Konrad Adenauer, der erste Bundeskanzler der noch jungen Republik. In diesem Monat erschien das neuste Buch von Sebastian Thiel, das inzwischen 14. unter seinem eigenen Namen. Der Kriminalroman hat den Titel "Das Adenauer-Komplott" und führt in die Anfangsjahre der jungen Nachkriegs-Republik. Sicher werden im Frühjahr viele Adenauer-Bücher erscheinen oder neu aufgelegt, doch das besondere Datum war für Thiel nur ein Anstoß, dieses Buch zu schreiben. Sebastian Thiel, Jahrgang 1983, kennt die Adenauer-Zeit nur aus den Erzählungen seiner Eltern und Großeltern. Nach den vier Kriminalromanen aus der Zeit des Dritten Reiches hat es Thiel gereizt, einmal in die Zeit nach Kriegsende zu springen. Und da er Adenauers Leben und sein Wirken als Bundeskanzler so ungemein interessant findet, hat der 33-Jährige ganz unbekümmert "den Alten" in seinen Roman als Figur eingeplant. Denn Thiel führt seine Leser dieses Mal in die neue Machtzentrale im Bonner Regierungsviertel.

Wer die 311 Seiten gelesen hat, erlebte eine äußerst spannende Geschichte. Dem Autor gelingt es dabei, nicht nur die Spannung zu halten und zu steigern, sondern beschert seinen Lesern auch eine überraschende Wende. Die Auflösung zu verraten, wäre allen, die das Buch lesen wollen, gegenüber unfair.

Nach dem Düsseldorfer Kommissar Nikolaus Brandenburg, Held in seinen Vorgänger-Kriminalromanen "Wunderwaffe" (2012), "Uranprojekt" (2014) und "Geheimprojekt Flugscheibe" (2015), hat sich Thiel für sein neues Buch eine völlig neue Figur ausgedacht: den Jagdflieger Maximilian Engel. Gleich auf der ersten Seite steigt der Blutdruck, denn Engel wird in einer Kölner Kneipe von der Gestapo verhaftet und ins berüchtigte EL-DE-Haus, die Gestapodienststelle am Appellhofplatz in der Kölner Altstadt gebracht. Im Rückblick auf die Stunden in der Kneipe führt der Autor bereits auf Seite 24 eine geheimnisvolle schwarzhaarige Schöne ein. Diese Frau wird ihn später im Gefängnis besuchen und ihn überreden, einem Mitgefangenen zur Flucht zu verhelfen. Der Mitgefangene heißt Konrad Adenauer. Im Gefängnis lernt er auch Kalle, einen Kölner Edelweißpiraten, kennen. Und als Leser weiß man sofort, dass man auch dieser Figur später erneut begegnen wird. Die geheimnisvolle Frau mit dem Namen Luisa wird sogar zur tragenden Rolle. Denn Engel verliebt sich in sie, heiratet sie später sogar. Beide arbeiten dann im Büro des ersten Bundeskanzlers, also ganz vorn an den Schalthebeln der Macht.

Fast beiläufig lernt der Leser viel über Ränkespiele in der Politik, über Tricks und Finten bei Wahlen und Programmen. Auch die hohe Politik der jungen Bundesrepublik spielt eine Rolle. So steht die Entscheidung zwischen der West-Bindung samt Mitgliedschaft in der EVG sowie Nato auf der einen Seite und Stalins Werben für ein wiedervereinigtes, blockfreies Deutschland auf der anderen Seite an und wird im Buch mit kontroversen Stellungnahmen thematisiert.

Doch nicht Kommunisten gegen Kapitalisten kämpfen hier gegeneinander. Auch wenn in der jungen Bundesrepublik viele Alt-Nazis wieder auf neuen Posten sitzen, spielt das beim "Adenauer-Komplott" keine besondere Rolle. Das Buch entwickelt einen völlig überraschenden Plot. Luisas Vater, der strikt gegen die Heirat seiner Tochter mit Engel war, spielt dabei eine größere Rolle, als man anfangs denkt. Aber mehr sei hier nicht verraten, denn sonst geht die Spannung verloren. Auf jeden Fall soll der Leser die Glücksmomente des jungen Ehepaars genießen, denn Thiel liefert keinen Liebesroman mit Happy End ab. Und auch beruflich gibt es für Engel einen Nebenbuhler.

Mit Max Engel gelingt es Sebastian Thiel mal wieder, eine sympathische Hauptfigur zu beschreiben, die als Kampfpilot in Görings Luftwaffe ein Held und Mitläufer war. Der "geläuterte" Engel ist nach einer Schussverletzung im Oberschenkel nicht mehr flugfähig, der Vater ist als Infanterist an der Ostfront vermisst. Max Engel glaubt 1944 nicht mehr an den Endsieg und stellt das sinnlose Kämpfen in Frage. So etwa öffentlich in einer Kneipe zu tun, brachte Engel die Bekanntschaft mit der Gestapo ein.

Die Namen verraten auch immer etwas über die Figuren: Engel ist sicherlich nicht zufällig so ausgedacht von jemandem, der seinen Kater Shakespeare taufte. Der Vorster Autor bekennt sich auch dazu, zumindest fürs Schreiben ein großer Fan von Verschwörungstheorien zu sein. In seinen früheren Kriminalromanen hat er sich damit ziemlich ausgelebt. Und auch Dan Browns "Sakrileg", als "Der Da-Vinci-Code" verfilmt, hat Thiel inspiriert. Und manche Ideen schleichen sich eben nur nachts ein, denn Sebastian Thiel schreibt am liebsten in den Stunden zwischen 23 und 6 Uhr.

(RP)
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