Schwalmtal Nach 19 Jahren Abschied von der Schule

Schwalmtal · Schüler und Lehrer der Janusz-Korczak-Realschule haben sich gestern von Schulleiter Wolfgang Kötting verabschiedet. Der 65-Jährige geht in den Ruhestand. Er freut sich, nun viel Zeit fürs Enkelkind zu haben.

Vielleicht bleibt Wolfgang Kötting heute länger im Bett. An jedem Schultag klingelte der Wecker daheim in Krefeld morgens um halb sechs. Dann begann für Kötting der Tag. Zwei Stunden länger liegen bleiben morgens? "Sicherlich ein komisches Gefühl", sagt Kötting und schmunzelt. Der 65-Jährige hat sich gestern von seinen Schülern und den Kollegen an der Janusz-Korczak-Realschule Schwalmtal verabschiedet - und sie sich von ihm mit einem großen Fest. Das Schuljahr ist zu Ende, für Kötting beginnt nun der Ruhestand.

Er studierte Geschichte und Geografie, machte Fortbildungen, um auch Mathematik zu unterrichten. 1977 begann er an der Freiherr-von-Stein-Realschule in Krefeld seine Laufbahn als Lehrer, es folgten dreieinhalb Jahre als Konrektor an einer Schule in Kaarst-Büttgen, dann kam er nach Schwalmtal und übernahm die Leitung der Schule von Hans Hucko. 19 Jahre lang war Kötting in Waldniel tätig. In der letzten Woche vor den Ferien ging er durch die Klassen, verabschiedete sich. "Ich habe ihnen gesagt: ,Ihr könnt die Schule nach sechs Jahren verlassen. Ich habe 19 Jahre dafür gebraucht'", erzählt er augenzwinkernd.

Viel hat sich im Laufe der Zeit geändert - in der Schule, bei den Schülern. "Schüler sind heute Schüler der Generation E-Technik", sagt Kötting. "Ich glaube behaupten zu können, dass hier kein Schüler hinkommt, der kein Smartphone hat. Die Kinder sind locker in den Communitys unterwegs - mit allen positiven und negativen Begleiterscheinungen." Wenn manche aber darüber klagen, dass sich so vieles verändert habe, dass Kinder und Jugendliche heute anders seien als noch vor zwei Jahrzehnten, hält Kötting dagegen: "Kinder sind heute anders. Aber nicht schlechter", sagt er. Und wenn er etwas mitnehme von der Schule, dann seien das vor allem all diese Bilder im Kopf - von den Schülern, die er auf den Fluren traf, auf dem Pausenhof sah, "von Kindern, in deren Gesichtern ich ganz viel Entspannung gesehen habe", sagt Kötting. "Das zeigt mir, dass es den Schülern an der Schule gut geht."

Als Kötting vor 19 Jahren die Leitung der Janusz-Korczak-Realschule übernahm, war die Schule in einigen Jahrgängen noch sechszügig. Heute ist sie fünfzügig, die Schüler kommen nicht nur aus Schwalmtal, sondern auch aus den Nachbargemeinden. Dass die Schule vor acht Jahren als MINT-Schule zertifiziert wurde, einen Schwerpunkt in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik setzt, ist ein Grund für die starke Nachfrage, meint Kötting. Daneben bietet die Schule mit Französisch und Niederländisch zwei weiterführende Fremdsprachen an, fördert im musikalischen Bereich und unterstützt die Teilnahme von Schülern an Wettbewerben wie "Jugend forscht". Gerade diese Wettbewerbe seien für die Entwicklung der Persönlichkeit sehr wichtig, sagt Kötting: "Es ist wichtig, dass Kinder sich in Bereichen entwickeln können, die nicht originärer Unterrichtsinhalt sind. Dadurch werden die Kinder richtig stark, und so eine Teilnahme an einem Wettbewerb ist enorm motivierend."

Was er an Schwalmtal besonders schätzt, sind die kurzen Wege. Das beginnt bei Kooperationen mit örtlichen Unternehmen und geht bis hin zur Begleitung durch die Gemeinde Schwalmtal, die stets "kooperativ, konstruktiv und kritisch" gewesen sei, wie Kötting sagt, "kritisch im besten Sinne. Die Gemeinde ist als Träger an der Seite der Schule unterwegs, das hat uns sehr geholfen." Die kurzen Wege gelten auch für die Zusammenarbeit mit der Europaschule und dem Gymnasium St. Wolfhelm. Das dreigliedrige System funktioniere in Schwalmtal gut, sagt Kötting: "Wir leben in Schwalmtal eine hohe Durchlässigkeit. Wir lassen kein Kind über- oder unterfordert hängen."

Er hinterlässt eine Schule mit einem Kollegium, das gelernt hat, im Team zu arbeiten. "Das habe ich vor 19 Jahren hier initiiert, weil ich mir nicht vorstellen konnte, eine Schule mit über 900 Schülern allein zu leiten", erzählt er. Gleichzeitig sind die Schulen selbstständiger geworden, dürfen mehr allein entscheiden als früher. "Das bedeutet mehr Verantwortung, ist aber auch eine Chance", sagt Kötting. "Gleichwohl ist man froh, dass es in Düsseldorf noch ein ,Backoffice' gibt."

Kötting hinterlässt auch eine Schule, von der er erwartet, dass sie sich verändern wird. "Schule muss schulentwickelnd tätig sein", sagt er, Stillstand dürfe es nicht geben. In Zeiten, in denen Eltern sehr genau auf Schulprofile achteten, die richtige Schule für ihr Kind suchten, sei es wichtig, die Identität einer Schule weiterzuentwickeln. Dazu hat er in 19 Jahren beigetragen, um die weitere Entwicklung werden sich nun andere kümmern. Kötting will ihnen da nicht reinreden, auch nicht hin und wieder in der Schule auftauchen, um zu sehen, wie es läuft. Er will kein Seniorchef sein, der nicht gehen kann.

Für den Ruhestand hat er andere Pläne: Der Enkelsohn ist 14 Monate alt. Mehr Zeit für den Kleinen zu haben, an seiner Entwicklung teilhaben zu dürfen, darauf freut sich Kötting sehr. Das Enkelkind hat einen fitten Opa: Kötting joggt und macht Krafttraining. Und er reist gern mit seiner Frau in den Süden - das geht jetzt auch außerhalb der Ferien. Auch ein Ehrenamt könnte er sich vorstellen, sagt er, er habe sehr viel Glück gehabt im Leben. Davon wolle er gern etwas zurückgeben.

Fürs Erste aber tut Kötting das, was wohl alle tun, die gerade ein Schuljahr hinter sich und sechs Wochen Sommerferien vor sich haben: ausschlafen.

(RP)
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