Wermelskirchen Philipp Scharrenberg bringt Narrenwerk in die Katt

Wermelskirchen · Locker-flockig Reime bauen, spontan aus dem Bauch, frisch und frei und draufgehauen - Scharrenberg kann's auch. Der Poetry-Slammer, Satiriker und Wortfechter Philipp Scharrenberg (früher Scharri) zeigte in der Katt, was er drauf hat. Der Meister im deutschsprachigen Poetry Slam 2016 ließ sich nicht lumpen. Der 40-Jährige machte mit Zottelhaaren, Schlabberlook und den weit ausladenden Gesten des Hip-Hoppers eine gute Figur als Berufsjugendlicher. Aber noch viel besser zündeten seine Reime. Er schoss sie messerscharf im Schnellfeuertakt aufs Publikum - intelligent, witzig, überraschend.

Grandios daran: Seine Zeilen wirken nicht nur durch den Effekt des Gereimten, gerade der Inhalt hat es in sich. Wenn er mit bitterbösen Zeilen "Dicke Kinda - setzt dich hin da" reimt und damit in sechs Worten die Eltern gleich mit abwatscht, ist das die hohe Kunst, in der Kürze Würze unterzubringen. Auch das ungereimte Gespräch über die Renaissance des Buches, das zwei Rentner 2070 führen, die sich heute als Jugendliche in Kanak-Sprak unterhalten, fördert das Nachdenken: "Verstehst du kein Wort bei dem ihr sein Sprach'." So etwas erfordert die volle Konzentration der Besucher. Gerade noch über einen Super-Reim gefreut, haut Scharrenberger einem bereits den nächsten um die Ohren. "Es ist anstrengend - unmöglich, sich das alles zu merken", sagt eine Besucherin. Gleichwohl schafft es der Reime-Meister und Vers-Verkleister, die Leute bei der Stange zu halten. Er provoziert bewusst ("verstören mache ich ganz gerne"), er ist ein Narr im besten Sinne Till Eulenspiegels. Natürlich, er polarisiert. Nicht jede(r) konnte sich angesichts der eigenen Wampe über "Dicke Kinder" freuen. Aber gab es bei der Uraufführung von Peter Handkes "Publikumsbeschimpfung" 1966 handfeste Tumulte, blieb das Publikum beim Spottgedicht über die Besucher in der Katt - "das Klatschvieh-Publikum" - weitgehend ruhig. Allerdings war zu spüren, wie die Stimmung kurzzeitig kippte. Ein Besucher, der spontan aufstand und dem Künstler entgegenschleuderte: "Doch wir bezahlen hier, Du Sack, sonst säß'st Du auf der Straße splitternackt!" bekam Publikumsapplaus. Vom Künstler so gewollt?

"So etwas passiert sehr selten", sagte Scharrenberg locker. Aber wir sind ja auch in Wermelskirchen.

(bege)
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