Wesel Tochter von Assauer liest im Scala

Wesel · Bettina Michel und ihr dementer Vater, der Ex-Schalke-Manager, waren Freitag zu Gast in Wesel.

Bettina Michel kam mit Vater Rudi Assauer und Sekretärin Sabine Söldner nach Wesel.

Bettina Michel kam mit Vater Rudi Assauer und Sekretärin Sabine Söldner nach Wesel.

Foto: Joosten

"Chapeau, Papa!" wird Bettina Michel an diesen Abend im Scala Kulturspielhaus an der Wilhelmstraße noch öfter sagen. "Was das ,Demenz-Outing' meines Vaters innerhalb von drei Jahren in der Gesellschaft bewirkt hat, ist wirklich unglaublich", sagt die Autorin des Buches "Papa, ich bin für dich da" während ihrer Lesung in Wesel nicht ohne stolz. Von einer Enttabuisierung und von mehr Akzeptanz sprach auch Moderator Sebastian Falke, der durch diesen interessanten Abend führte.

Auf der einen Seite die lockere Moderation, die etwas derb-humorige Art von Bettina Michel und der trockene Humor von Sabine Söldner, langjährige Sekretärin des ehemaligen Schalke-Managers, die für die erkrankte Co-Autorin Eva Mohr einsprang. Auf der anderen Seite das Über-Thema Demenz - die schwere Krankheit, ihr tragischer Verlauf, die Belastung für Betroffene und Angehörige. Ein Gegensatz, der den Abend prägte und beim Publikum ankam.

Assauer-Tochter Bettina Michel erzählte voller Stolz, dass ihr dementer Vater "noch immer ein lecker Kerlchen" sei, der auf Party gehe.

Assauer-Tochter Bettina Michel erzählte voller Stolz, dass ihr dementer Vater "noch immer ein lecker Kerlchen" sei, der auf Party gehe.

Foto: buhl

"Natürlich könnte ich hier tot-traurig sitzen, aber das hilft ihm nicht und mir nicht", sagt Bettina Michel und schenkt ihrem Vater ein liebevolles Lächeln. Der sitzt ein wenig abseits der Bühne mit einigen Freunden zusammen. Das Publikum, bestehend aus treuen Schalke-Fans und Rat-Suchenden, applaudiert gerührt.

In der Wohnzimmer-Atmosphäre des Scalas betont Bettina Michel: "Ich bin kein Redner, sondern ein Quatscher. Und schon gar keine Leserin." Tatsächlich gerät sie bei der Lesung immer wieder ins Stocken. Und beim "Quatschen" wird sie von Sabine Söldner immer mal wieder gemäßigt.

Für Bettina Michel ist es sehr bewegend, dass die gestörte Vater-Kind-Beziehung durch die Krankheit nach 47 Jahren eine zweite Chance bekommen hat. Schockierend für sie sind die öffentlichen Anfeindungen gegen ihren Vater, "weil der immer noch fast jedes Spiel seiner Schalker ansieht, bei seinem Lieblingsitaliener essen und zu Schlager-Partys feiern geht. Er ist doch kein Aussätziger". Ebenso "entsetzlich" findet sie die "falschen Freunde, die ihn scheinheilig zum Essen ausführten und ihm dann Verträge und Bürgschaften unterschoben." Die Regel sei jedoch ein respektvoller Umgang.

Immer wieder wird an diesem Abend geschmunzelt und gelacht: "Dann stürmte er einmal in mein Büro, knallte mir einen Schrieb auf den Tisch und sagte: ,Jetzt hasses schriftlich, mein Birne ist im Arsch'.", berichtet Sabine Söldner. Dennoch habe ihn stets die Sorge umher getrieben, jemand könne seine Krankheit öffentlich aussprechen, bevor er es selbst tun kann. "Das "Outing" glich dann einem Befreiungsschlag", sagt seine Tochter.

Nach der Lesung konnten Besucher Fragen stellen. "Bleibt man immer Kind, auch wenn man den eigenen Vater pflegt?", fragt eine junge Frau. Michel: "Ich habe mein Privatleben aufgegeben. Die Pflege eines Demenzkranken ist ein 24-Stunden-Job. Aber er ist mein Vater, ich habe ihm das versprochen. Ein Vorteil ist vielleicht, dass ich ihn erst mit 17 kennengelernt habe."

Alle Besucher freut es natürlich, dass Rudi Assauer mitgekommen ist. "Er sieht so fit aus. Wie haben Sie das geschafft?", will jemand wissen. Michel lächelt stolz. "Er ist halt immer noch ein lecker Kerlchen, braucht seit einem Monat keine Schlaftabletten mehr und nimmt generell nur noch einen Wirkstoff. Ich habe ihn immer positiv bestärkt."

(leho)
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