Wesel "Wo ist Christus?"

Wesel · Nach dem Umbau der Kapelle im Marien-Hospital wurde nur die Marien-Ikone wieder aufgestellt. Das Jesusbildnis aber ist verschwunden. Wo ist das Meisterwerk aus dem 18. Jahrhundert abgeblieben? Die RP hat nachgefragt.

 Heute ist nur noch die Marien-Ikone ausgestellt.

Heute ist nur noch die Marien-Ikone ausgestellt.

Foto: malz

Die Kapelle im Marien-Hospital ist ein besonderer Ort. Sie ist eine Zuflucht. Ein Ort für all jene, die in Zeiten von Krankheit und Sorge Hoffnung aus der Nähe zu Gott beziehen. Das ist auch heute noch so. "Heute", das bedeutet nach der Verlegung der Kapelle ins Erdgeschoss des Hospitals - einer Maßnahme, die nach Aussage der Klinikleitung unumgänglich war (die RP berichtete). Doch etwas fehlt. Zumindest nach Aussage eines RP-Lesers, der sich in den zurückliegenden Tagen an unsere Redaktion gewandt hat. Die große Jesus-Ikone, die im alten Kapellraum noch neben dem Bildnis der Gottesmutter zu finden war, hatte er nach dem Umbau vergebens gesucht. Dieser Umstand sorgte bei ihm für Unverständnis. Und in einem Brief, den er der Reaktion überreichte, war zu lesen: "Wo ist Christus?"

 Blick in die Kapelle des Marien-Hospitals nach dem Umbau.

Blick in die Kapelle des Marien-Hospitals nach dem Umbau.

Foto: Burwig

Auch Stefka Michel, Betreiberin einer Ikonengalerie in Kevelaer, hat für die Entscheidung, die beiden Ikonen voneinander zu trennen, kein Verständnis. "Beide Werke hingen früher in meiner Galerie", sagt sie. "Ich habe sie damals an einen Privatmann verkauft, der sie dann der Pfarrgemeinschaft stiftete." Sie sei sich sicher, dass die Trennung der beiden Bilder nicht im Sinne der Stiftung sei. Grundsätzlich sei es unüblich, solche Ikonen voneinander zu trennen. "Dass ein Paar wie dieses überhaupt noch zusammen zu finden ist, ist schon ein Glücksfall für sich", sagt sie. Die Gottesmutter stamme aus dem 17., das Christusbildnis aus dem 18. Jahrhundert. "Bei Versteigerungen erzielen solche Werke heute fünfstellige Summen." Die Ikonen stammten aus dem osteuropäisch-orthodoxen Raum, erläutert Michel. Und in der orthodoxen Tradition gehöre das Ikonenpaar zwingend zur sogenannten Ikonostase - einer Art Heiligengalerie, die in vielen Kirchen Osteuropas zu finden ist.

Doch wo ist die Jesus-Ikone nun eigentlich, und ist die Trennung tatsächlich ein Grund zur Aufregung? "Unserer Meinung nach nicht", sagt Stefan Sühling, Leitender Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft St. Nikolaus. "Bei uns wird grundsätzlich verantwortungsvoll mit liturgischen Artefakten umgegangen." Und so habe man das auch in diesem Fall gehandhabt. "Im Zuge der Umbaumaßnahmen am Marien-Hospital ist die Kapelle verlegt und verkleinert worden. Wir haben dazu alle Artefakte aus der alten Kapelle entnommen, sorgfältig eingelagert und jene, bei denen es aus baulicher und liturgischer Sicht Sinn machte, nach Abschluss der Umbaumaßnahmen wieder in der neuen Kapelle aufgestellt." Das Jesusbildnis habe aufgrund der baulichen Veränderungen in der neuen Kapelle leider keinen Platz mehr gehabt. Es sei aber nach wie vor sicher im Lager der Pfarreiengemeinschaft verwahrt.

"Wir haben uns die räumlichen Verhältnisse angesehen und entschieden, dass die Marien-Ikone - katholisch tradiert im Übrigen ,Immerwährende Hilfe' genannt - aus liturgischer Sicht die sinnvollere von beiden Möglichkeiten für eine Krankenhaus-Kapelle ist." Und der Umstand, dass die beiden Bilder nun voneinander getrennt sind, sei aus katholischer Sicht auch nicht problematisch. "Die Ikonostase ist eine klassisch-orthodoxe Tradition, keine katholische", sagt der Pfarrer. Die strengen Richtlinien der Ikonostase würden für die Kapelle deshalb nicht gelten.

Geht es nach Stefan Sühling, soll die Christusikone nicht lange im Lager der Pfarreiengemeinschaft bleiben. "Im Gegenteil. Das wäre ja zu schade", sagt er. "Ich kann zwar noch keine verbindliche Zusage machen, aber wenn die Arbeiten im Marien-Hospital abgeschlossen sind, wird sicherlich die Frage zu stellen sein, ob sich für die Ikone nicht irgendwo im Haus ein Platz findet, an dem sie gut zur Geltung kommt."

(th)
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