Stadt Willich Zwei Künstlerinnen auf Gratwanderung

Stadt Willich · Die Kunstwerkstatt am Niederrhein wurde zu einer Ausstellung im Düsseldorfer Justizministerium eingeladen. Sigrid Spee und Astrid Puttins zeigen dort die "Gratwanderung 1.0". Dazu kommt High-Speed-Fotografie von Tom Puttins.

 Sigrid Spee (links) und Astrid Puttins in der Kunstwerkstatt am Niederrhein in Anrath.

Sigrid Spee (links) und Astrid Puttins in der Kunstwerkstatt am Niederrhein in Anrath.

Foto: WOLFGANG KAISER

Wenn Sigrid Spee an die rund fünf Meter hohen Wände im Düsseldorfer Justizministerium denkt, wo sie ab Ende März ausstellen wird, dann kriegt sie eine leichte Gänsehaut. "Ich bin nicht schwindelfrei, und wir hängen unsere Werke selber auf, damit alles stimmig ist", berichtet die Anratherin. Dabei geht ihr Blick zu Astrid Puttins hinüber, die entspannt lächelt. Vor dem Hintergrund, dass sie völlig schwindelfrei ist, sieht die Korschenbroicherin kein Problem, wenn eine Woche vor dem 30. März, dem Ausstellungsbeginn, mit dem Aufhängen der Bilder begonnen wird. Und da es sich allesamt um Werke handelt, die die beiden Künstlerinnen der Kunstwerkstatt am Niederrhein gemeinsam geschaffen haben, "reicht es auch, wenn eine von uns auf die Leiter steigt", bemerkt Astrid Puttins augenzwinkernd.

Unter dem Titel "Gratwanderung 1.0" stellen Sigrid Spee und Astrid Puttins erstmalig für knapp zweieinhalb Monate im Justizministerium aus. So verschieden die Bilder auf dem dicken Büttenpapier auch sind, eins zeichnet sie alle aus. Ein jedes ist in Zusammenarbeit der beiden Künstlerinnen entstanden. Vor rund einem Jahr starteten Sigrid Spee und Astrid Puttins das ungewöhnliche Projekt, gemeinsam an einem Bild zu arbeiten, wobei der Startschuss eher ein Zufall war. Sigrid Spee hatte für ein neues Werk Büttenpapier an die Wand geklebt - beide Frauen arbeiten nicht an der Staffelei, sondern stehend an der Wand - und ihr neues Bild mit einem dicken schwarzen Strich gestartet. Danach blieb es einige Tage unbearbeitet. Das wiederum veranlasste Astrid Puttins ein Auge auf das Papier zu zeichnen. "Sigrid bemerkte, es sähe aus wie meins und ich solle ihr Auge dazu setzen", erzählt Astrid Puttins. So wuchs das Bild, bearbeitet von beiden Künstlerinnen, Stück für Stück. Innerhalb einer Woche entstand im Rahmen dieser Zusammenarbeit ein Werk, das den Titel "friends" erhielt.

"Ein Bild durchläuft vom Start bis zum Finish immer unterschiedliche Phasen. Wir haben festgestellt, dass wir gut zusammenarbeiten können, gedanklich, wie auch im Pinselstrich", sagt Sigrid Spee. Sich auf den anderen einlassen, ohne sich selber zu verlieren. Eine neue Richtung auszuprobieren und zu schauen, wie wohl fühlt man sich, wenn man jemand anderen in sein Bild lässt. Zwei Handschriften finden sich in einem Bild wieder. "Empfindungen von uns beiden fließen in ein Bild hinein und ergeben letztendlich eine Einheit", beschreibt es Astrid Puttins.

Dabei treffen auch zwei Stilrichtungen aufeinander. Während die Korschenbroicherin mehr zeichnerisch und illustrativ arbeitet und das gerne in extrem bunten Farben, zeichnet sich die Anratherin durch Abstraktheit in schwarz-weiß aus. Bringe man beides in Zusammenhang, so lerne man voneinander und nehme ein stückweit die Eigenschaften des anderen an, sind sich die Künstlerinnen einig. "Wir gehen eins Symbiose ein", bemerkt Sigrid Spee. Im Prinzip treffen zwei völlige Gegensätze aufeinander, die gemischt ein außergewöhnliches Ergebnis zeigen.

Im Laufe des vergangenen Jahres entstand auf diesem Weg eine Werkserie von 27 Bildern. Die Größen variieren von 95 mal 95 Zentimeter bis hin zu Arbeiten von 1,40 mal 1,60 Meter und 1,20 mal 1,80 Meter. Ein Mitarbeiter des Justizministeriums besuchte im Sommer vergangenen Jahr die Kunstwerkstatt am Niederrhein und war von den Arbeiten begeistert. Innerhalb kürzester Zeit war klar, es wird eine Ausstellung in Düsseldorf geben. Der Titel stand für Sigrid Spee und Astrid Puttins nicht minder schnell fest. "Kunst als solche ist immer eine Gratwanderung, und wenn man zusammen an einem Bild arbeitet, bewegt man sich ebenfalls auf einem schmalen Grat", sagt Astrid Puttins. "Gratwanderung 1.0" war geboren. Aktuell erhalten alle 27 Werke vom Krefelder Kunstverlag Heselmann ihre Ahornrahmen. Danach geht es nach Düsseldorf.

Aber nicht nur die Bilder von Sigrid Spee und Astrid Puttins machen die Ausstellung aus. Tom Puttins zeigt mehrere Werke seiner High-Speed-Fotografie. Im Milli-Sekundenbereich hält er Wassertropfen fest, die durch Farbblitze ihre Optik verändern. Dadurch entwickeln sich Figuren und es entstehen Bilder, die in kein Schema F passen. Es sind Hingucker auf der ganzen Linie.

(tref)
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