Wülfrath Als die Amis in Wülfrath einmarschierten

Wülfrath · Willi Münch hat miterlebt, als am Ende des Zweiten Weltkriegs Munition, Hitlerbüsten und Nazibilder im Krappsteich landeten.

 Willi Münch ist heute 84 Jahre alt und ist als Heimatforscher auch der Nachkriegszeit auf der Spur.

Willi Münch ist heute 84 Jahre alt und ist als Heimatforscher auch der Nachkriegszeit auf der Spur.

Foto: Achim Blazy

Siebzig Jahre sind mittlerweile vergangen. Und dennoch erinnert sich Willi Münch (84) noch genau an den Tag, als die Amerikaner in Wülfrath einmarschierten. Der Krieg war vorbei - und ist bis heute dennoch nicht vergessen. Obwohl es auch Abenteuerlust gewesen sein mag, die den damals 14-Jährigen in den letzten Kriegstagen immer wieder auf die Straße getrieben hat. "Da wurde noch ein amerikanischer Jagdbomber abgeschossen. Wir Jungs sind da natürlich sofort hingelaufen", erinnert sich der Heimatforscher.

Angst habe er damals nicht gehabt - die sei dafür bei den Eltern umso größer gewesen. Als er ihnen gestanden hatte, unter dem Bett gesammelte Munition versteckt zu haben, zog der Vater nachts los, um die verbotenen Besitztümer in den Krappsteich zu werfen. Offenbar waren auch andere Wülfrather auf die Idee gekommen, sich so der von den Amerikanern verpönten "Altlasten" zu entledigen. "Hitlerbüsten, Nazibilder, Gewehre: Dort lag alles Mögliche drin", berichtet Willi Münch von dem Tag, an dem im Teich das Wasser abgelassen wurde.

Da war es längst schon wieder ruhig geworden, der Alltag kehrte trotz der Nachkriegswirren schnell wieder ein. "Ich hab damals im Standortorchester Geige gespielt. Als es aufgelöst würde, haben wir in Kneipen gespielt - die Leute waren hungrig nach Musik", erzählt der Karikaturist, der seine Kriegserlebnisse auch in der Heimatliteratur niedergeschrieben und mit Zeichnungen versehen hat.

Da gibt es zum Beispiel die Geschichte vom Wülfrather Stadtochsen. Jahrelang wurde er vor den Karren gespannt, um die Asche aus den vielen Mülleimern abzuholen. Als der Fuhrmann auf der Goethestraße von einem Luftangriff der Amerikaner überrascht wurde, rettete er sich in höchster Not noch unversehrt in den Bunker. Sein treuer vierbeiniger Begleiter aber starb im Kugelhagel und wurde vom Metzger direkt nebenan geschlachtet. Das Fleisch wurde fair aufgeteilt. "Unter den Parteibonzen", erinnert sich Willi Münch.

Nur wenige Wochen vor Kriegsende hatte man ihn gemeinsam mit Freunden noch zur Ausbildung an der Waffe einberufen. Nach der Meldung im Mettmanner Präparandenheim machten sich die Jugendlichen auf den Weg nach Leipzig, um bei einem Ernteeinsatz zu helfen. Was dort mitten im April geerntet werden sollte, weiß Willi Münch bis heute nicht. Dafür erzählt er davon, dass auch der Begleiter der Jugendlichen zunehmend weniger Lust auf den langen Fußmarsch hatte. Es gab kaum etwas zu essen, die Füße taten weh und im Sauerland kam die Gruppe schließlich im Keller eines Pfarrers unter - bis sich die Wülfrather Jungs heimlich davon stahlen und von Wehrmachtssoldaten zurück nach Wuppertal mitgenommen wurden. "Für uns war das ein Abenteuer, aber meine Mutter hat sich über die Heimkehr gefreut", erinnert sich der Wülfrather.

Gefährlich sei es für Kinder auch noch nach dem Krieg gewesen. Überall habe Munition herumgelegen. Und da es sonst nichts gab, womit man hätte spielen können, wurde sie eifrig gesammelt. Die Eltern hatten andere Sorgen. Sie konnten nicht neben ihren Kindern stehen, um auf die Gefahren hinzuweisen. Ein Freund starb, einem anderen wurden zwei Finger abgetrennt: Willi Münch zählt die Namen derjenigen auf, die durch explodierende Granaten verletzt wurden. Darunter war auch der Sohn eines Lehrers, ihm hatte die Wucht der Explosion beide Hände abgerissen.

(magu)
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