Xanten Glockenaufhängen mit Hindernissen

Xanten · Nach 18 Jahren wurden gestern die Glocken "Karl Leisner", "Kardinal von Galen" und "Gottesmutter Maria" in den Domturm gehoben.

 Dombauhütten-Meister Johannes Schubert und "Bufdi" Lukas Ruppich halten die Glocke ruhig. Dann ging es mit dem Kran nach oben.

Dombauhütten-Meister Johannes Schubert und "Bufdi" Lukas Ruppich halten die Glocke ruhig. Dann ging es mit dem Kran nach oben.

Foto: Olaf Ostermann

Schon eine ganze Weile stehen Ulrike Groterhorst und Gerda Hußmann auf dem Domvorplatz. Es ist kalt, gerade mal vier Grad Celsius; Wind und Regen lassen die Temperaturen noch eisiger erscheinen. Ins Warme wollen die beiden Xantenerinnen dennoch nicht. 18 Jahre lang haben sie auf diesen Moment gewartet. Darauf, dass die drei neuen Glocken, "Karl Leisner", "Kardinal von Galen" und, die größte von ihnen, "Gottesmutter Maria", endlich ihren Platz im Geläut des St.- Viktor-Doms erhalten. Am Sonntag waren die Glocken von Weihbischof Wilfried Theising eingesegnet worden. Nun sollen sie mit einem Kran hochgezogen werden und durch das höchstgelegene Fenster des Südturms in den Dom gelangen.

Kein leichtes Unterfangen: Das Wetter macht nicht nur den zahlreichen Zuschauern samt der Riege der Marienschülerinnen zu schaffen, sondern auch den Facharbeitern. Vor allem der starke Wind mit immer wieder aufkommenden Böen macht die Präzisionsarbeit schwierig. Die kleinste Glocke, "Karl Leisner", wurde deshalb bereits vor dem geplanten Start hochgezogen.

Pünktlich um 11.30 Uhr brummt der Motor des Krans aber wieder auf. Unweigerlich geht der Blick nach oben. Dort haben die Mitarbeiter der Dombauhütte am Morgen noch die beiden Säulen des Fensters herausgeschnitten, um Platz zu schaffen. Anders würde die 530 Kilogramm schwere Marien-Glocke gar nicht hindurch passen. Diese ist auch als nächstes dran. Unter dem Applaus der Zuschauer löst sich die mit gelben und blauen Blüten und Bändern geschmückte Glocke vom Boden. Langsam, ganz vorsichtig geht es hinauf. "Ein schöner Anblick", bemerkt Helmut Sommer. Für den ehemaligen Domküster ist dies ein bewegender Moment. Er war es, der die Familie Underberg 1996 um die Glocken-Spende bat. "Der St.-Viktor-Dom hatte mit bisher sechs Glocken sogar ein kleineres Geläut als die Marienbaumer Kirche. Das war doch etwas beschämend. Dass uns aber gleich drei Glocken zugesagt werden, hat niemand erwartet", erzählt Sommer.

Doch plötzlich gibt es Probleme. Nach zehn Minuten in der Luft wird die Marien-Glocke wieder abgesetzt. Der Wind ist zu stark. Kürzere Gurte müssen dran. "Nur nichts übereilen", wirft Groterhorst ein. Bald darauf hebt sich die Glocke erneut empor. Nun schwingt sie auch nicht mehr so stark. Oben beginnt für die Arbeiter der schwierigste Teil. Vor allem für einen Mann: Er muss auf das Fensterbrett, um die Glocke heranzuziehen. 40 Meter überm Erdboden. Ohne Geländer. Sicherung geben ihm lediglich Haltegurte. Allein dieser Anblick lässt die Zuschauer vor Spannung erstarren. Ein Raunen geht durch die Menge, als der Arbeiter mit beherztem Griff nach der Glocke packt.

Doch wieder scheint es Komplikationen zu geben. Anstatt die "Gottesmutter Maria" hineinzuziehen, wird die Glocke mit Brettern fixiert, während die Arbeiter im Dom-Inneren ein Gerüst aufbauen. Dann passiert lange nichts. Johannes Schubert, Leiter der Dombauhütte, erklärt: "Durch die fehlende Stütze der Säulen hat sich ein Stein am Fensterbogen gelöst. Wir müssen erst einen Stützbalken einschlagen, damit nicht der komplette Bogen einstürzt." Die Arbeit läuft schnell und routiniert. Als die Marien-Glocke nach 45 Minuten endlich in den Dom gelangt, sind nur noch wenige Zuschauer da. Die Marienschülerinnen mussten in den Unterricht zurück, andere Gäste sind vor der Kälte geflohen. Nicht so Groterhorst und Hußmann. "So etwas erlebt man - wenn man Glück hat - nur einmal im Leben", finden sie.

(beaw)
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