UN-Kriegsverbrechertribunal Karadzic attackiert Deutschland

Den Haag (RP). Vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal hat der einstige bosnische Serbenführer Radovan Karadzic alle Schuld von sich gewiesen. Die Muslime und die Nato hätten den Krieg provoziert. Sein Kampf sei "gerecht und heilig” gewesen.

Karadzic ohne Bart
10 Bilder

Karadzic ohne Bart

10 Bilder

Die Gesichtszüge von Hatidza Mehmedovic (58) wirken wie versteinert. Abgrundtiefe Abscheu spricht aus ihrem starren Blick. Keine vier Meter entfernt sitzt auf der Anklagebank im Haager Kriegsverbrechertribunal jener Mann, der ihr Leben zur Hölle machte: Radovan Karadzic (64).

Die Schergen des ehemaligen bosnischen Serbenführers ermordeten am 11. Juli 1995 in Srebrenica ihren Mann, ihren Bruder und ihre beiden Söhne. Jetzt will sie Karadzic in die Augen sehen. Doch Mehmedovic findet nicht, wonach sie sucht: Reue. Im Gegenteil. Karadzic stilisiert sich in seiner Verteidigungsrede zum serbischen Helden ohne Schuld. Einer, der sein Volk gegen eine Verschwörung bosnischer Muslime und Kroaten mit der Nato zu beschützen suchte.

"Alles, was wir Serben getan haben, war, uns zu verteidigen”, hält Karadzic dem UN-Tribunal in seiner ersten Erklärung entgegen. Der Mann mit dem weißen Wuschelkopf muss sich in elf Anklagepunkten verantworten ­ darunter Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord während des Bosnien-Kriegs. Monatelang hat er das Drehbuch für seine "Unschuldstheorie” zu Papier gebracht. Nun trägt er sie auf Serbisch vor, obwohl er fließend Englisch kann. Das Gericht soll die Sprache seiner stolzen Nation hören, deren Sache er "gerecht und heilig” nennt.

In seiner Argumentationskette wurden Serben im Selbstschutz zu Gewalttaten gezwungen. Den bewaffneten Konflikt in den Jahren 1992 bis 1995, bei dem 100.000 Menschen getötet und 2,2 Millionen vertrieben wurden, stellt er als von den Serben nicht gewollten Bürgerkrieg dar. Die muslimische Seite habe ihn provoziert, um ihren Plan zur Errichtung einer islamischen Republik umzusetzen.

Den Deutschen weist Karadzic indirekte Mitschuld an den Bürgerkriegen zu ­ denn die "voreilige” Anerkennung der einst zu Jugoslawien gehörenden Teilrepubliken habe die Spannungen geschürt. Ein Beweggrund sei gewesen, dass Deutschland im Zweiten Weltkrieg mit den kroatischen Faschisten verbündet gewesen sei. "Deutschland hat es geschafft, seine Feinde im Zweiten Weltkrieg dafür einzuspannen, dass es nun vollenden konnte, was beim ersten Mal nicht gelungen war.”

Hatidza Mehmedovic hört all dies fassungslos. Sie weiß, dass ihre Wunden auch durch eine Verurteilung Karadzics nicht heilen. Doch sie hofft, dass die Angehörigen der Opfer doch noch ein wenig Gerechtigkeit erfahren. Dazu sollen 400 Zeugen beitragen, die ab morgen vor dem Tribunal gehört werden.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort