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Düsseldorf Der Schabbat ist ein Geschenk Gottes

Düsseldorf · Juden dürfen am Schabbat nicht arbeiten, kein Smartphone oder den Computer benutzen. Was für Nichtjuden wie eine unangenehme Einschränkung klingt, ist für sie eine Bereicherung. Für sie geht es am Schabbat nur um schöne Dinge.

 Eine Menora im Nelly-Sachs-Haus.

Eine Menora im Nelly-Sachs-Haus.

Foto: Anne Orthen

Es ist 16.49 Uhr am Freitag. An einem Tisch im Foyer des jüdischen Elternheims am Düsseldorfer Nordpark haben sich vier Frauen versammelt. Eine von ihnen ist Natasha Kaplan, sie arbeitet im Nelly-Sachs-Haus und ist für die religiöse Betreuung der Bewohner zuständig. Sie reißt ein Streichholz an und hält es an den Docht einer Kerze, die auf dem Tisch steht. Dann reicht sie die Packung mit den Streichhölzern weiter. Jede der Damen zündet eine Kerze an. Sie bedecken das Gesicht mit ihren Händen und beten. Der Schabbat hat begonnen, denn um 16.49 Uhr ist die Sonne untergegangen. Für das Anzünden der Schabbatkerzen ist nach jüdischer Tradition die Frau des Hauses zuständig.

Nach jüdischer Zeitrechnung beginnt ein Tag nicht um Mitternacht, sondern bei Sonnenuntergang. Der Schabbat ist der wöchentliche Feiertag der Juden, der Ruhetag, an dem sie keine Arbeit verrichten dürfen. Dieser Tag ist heilig - er erinnert an den Bund, den Gott mit seinem Volk geschlossen hat. Deswegen geht Natasha Kaplan jeden Freitagabend nach dem Schabbat-Gottesdienst zu Fuß nach Hause. Die 36-Jährige ist von kleiner Statur, sie trägt einen ausgestellten Jeansrock, eine Wollstrumpfhose und flache Schuhe. Ihr Haar hat sie zu einem Zopf gebunden, und sie trägt eine schwarze Mütze - denn verheiratete Frauen sollen nach orthodoxer Lehre ihr Haar bedecken. Ihr Mann ist Rabbi in der jüdischen Gemeinde in Düsseldorf. 40 Minuten braucht sie vom Altenheim bis nach Hause. Orthodoxe Juden sollen am Schabbat keine elektronischen Geräte benutzen, dazu gehören Mobiltelefone, Küchengeräte und die U-Bahn.

Immerhin regnet es heute nicht, aber es ist kalt und dunkel. Man könnte vermuten, dass Natasha Kaplan nur widerwillig einen kilometerlangen Fußmarsch auf sich nimmt. Doch dem ist nicht so. Sie freut sich sogar über diesen Tag. "Der Schabbat ist ein Vorgeschmack auf das, was uns im Paradies erwartet", sagt sie. "Wir besinnen uns auf uns selbst und auf unser Verhältnis zu Gott." Sie verbringt den Tag mit ihrer Familie. Sie spielen mit den Kindern, gehen spazieren - ganz ohne Ablenkung. Sie muss nicht kochen, denn das Essen hat sie schon vorbereitet. Die Herdplatten in ihrer Küche sind mit einer Zeitschaltuhr so programmiert, dass sie sich selbst einschalten, um das Essen aufzuwärmen. Kaplan muss auch keine Hausarbeit erledigen oder zum Briefkasten gehen. Einige orthodoxe Juden fahren auch kein Auto am Schabbat. Tätigkeiten, die die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung aufs Wochenende schiebt, wie Putzen, Kochen und Einkaufen - die Familie Kaplan ist von ihnen befreit, weil ihre Religion es ihnen so vorschreibt. Was für Nichtjuden wie eine lästige Pflicht und unliebsame Einschränkungen klingt, ist für Kaplan ein Geschenk. "Das alles ist entlastend", sagt sie.

Juden sind sehr erfinderisch, wie sie Tätigkeiten am Schabbat umgehen, die dennoch gemacht werden müssen. Im Altenheim etwa müssen die Pfleger den bettlägerigen Bewohnern das Essen anreichen. Dafür müssen sie die Betten per Knopfdruck in eine Sitzposition bringen. Am Schabbat bitten sie einen ihrer christlichen Kollegen, den Knopf zu drücken. "Die Schabbat-Regeln haben ihre natürliche Grenze, wenn Menschenleben in Gefahr sind", sagt Bert Römgens, Leiter des Nelly-Sachs-Hauses. Und Natasha Kaplan fügt hinzu: "Der Schabbat ist für die Menschen und nicht gegen sie. Wir sind eine vernünftige Religion."

Heute ist Peter Vasadi gekommen, um den "Kabbalat Schabbat" - den "Empfang des Schabbats" - zu feiern. Vasadi ist Religionslehrer an der Yitzhak-Rabin-Schule, der jüdischen Grundschule. Als Vorbeter braucht er den Tallit, einen Gebetsschal, und das Gebetbuch, ein Siddur. Außerdem müssen mindestens zehn männliche Juden anwesend sein, damit der Gottesdienst stattfinden kann. Nach der jüdischen Vorstellung wird der Schabbat im Gottesdienst am Freitagabend wie eine Braut begrüßt. Deswegen singen die Gläubigen das Lied "Lecha Dodi" ("Komm, mein Freund"). Dabei drehen sich die Gottesdienstbesucher zur Tür und verneigen sich. Gebetet wird in hebräischer Sprache, die Predigt ist auf Deutsch. Während des Gottesdienstes springen Sharon (7) und Lara (5) durch die Reihen. Sie sind mit ihren Vätern gekommen, die die männlichen Reihen verstärken, und müssen nicht etwa stillsitzen und mitbeten, sondern dürfen spielen.

Für Sharon ist das Beste am Kabbalat Schabbat, dass es danach ein Mahl gibt: "Wenn wir fertig gebetet haben, dürfen wir essen." Dazu gehen die Besucher in den Speisesaal. Vor dem Mahl spricht der Vorbeter den Kiddusch. Vasadi segnet erst den Wein, dann spricht er ein Gebet über zwei Brotlaibe, bevor er sie in Scheiben schneidet, mit Salz bestreut und verteilt. Das Brot symbolisiert das Manna, mit dem Gott sein Volk in der Wüste ernährt hat und das täglich vom Himmel fiel. Das Salz steht für die Tränen und das Leid, das die Juden erlitten haben.

Natasha Kaplan bleibt nicht. Sie isst zu Hause mit ihrer Familie. Und bis sie dort ist, hat sie noch einen weiten Fußweg vor sich.

(RP)
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