Kofferbomber-Prozess in Düsseldorf Knapp gescheitertes Attentat oder nur symbolischer Akt?

Düsseldorf/Beirut (RPO). Seit heute steht Youssef Mohamed E.H. in Düsseldorf vor Gericht. Der 23-jährige Libanese soll mit einem Komplizen Kofferbomben in Regionalzügen in NRW deponiert haben. Eine entscheidende Frage im Prozess wird sein, ob die Bomben tatsächlich explodieren sollten. Die Anklage ist sicher, dass ein technischer Defekt die Explosion verhinderte. Die Verteidgung behauptet, der Angeklagte habe nie vorgehabt, Menschen zu töten.

Düsseldorfer Kofferbomber-Prozess ist beendet
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Foto: ddp

Eine Flammenhölle, in der möglichst viele Menschen sterben sollten: Das war nach Ansicht der Bundesanwaltschaft das Ziel des mutmaßlichen Kofferbombers von Köln. Im Juli 2006 soll Youssef Mohamed E.H. mit einem Komplizen Bomben in zwei Regionalzügen nach Hamm und Koblenz deponiert haben. Heimtückisch und grausam nannte Bundesanwalt Horst Salzmann zum Prozessauftakt am Dienstag den nur wegen eines handwerklichen Fehlers gescheiterten Terroranschlag auf deutschem Boden. Für die Verteidigung steht jedoch fest: Youssef Mohamed E.H. hatte nie die Absicht, die Bomben wirklich explodieren zu lassen.

Wie ein finsterer Islamist wirkt der 23-Jährige in der Tat nicht, der am Dienstag in einem beigen Kapuzenpulli und mit sorgfältig gestutztem Bart vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht erschien. Interessiert blickte der schlacksige junge Mann in die Runde, wartete geduldig, bis das Blitzlichtgewitter der Fotografen vorüber war. "Das Einzige, was ich immer gemacht habe, war Beten. Ansonsten habe ich hier ein völlig normales Leben geführt", sagte der Libanese, der 2004 zum Studium der Ingenieurswissenschaften nach Kiel kam. Seine Erziehung sei sehr tolerant gewesen.

Die Bundesanwaltschaft jedoch vermutet in E.H. einen Islamisten, der aus Rache für die auch in Deutschland nachgedruckten Mohammed-Karikaturen Anschläge auf zwei Kölner Regionalzüge plante. Am Dienstag wurde der Angeklagte dafür bereits von einem libanesischen Gericht in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Sein mutmaßlicher Mittäter Jihad Hamad, der nach den misslungenen Anschlägen am 31. Juli in den Libanon geflüchtet war, erhielt zwölf Jahre Haft.

Von dem Urteil aus Beirut zeigte sich der 23-Jährige zum Prozessauftakt in Düsseldorf jedoch unbeeindruckt. Bereitwillig gab er Auskunft über seine Schulzeit, seine Liebe zum Fußball und das Leben seiner zwölf Geschwister. Nur zu den Tatvorwürfen selbst wollte der 23-Jährige nichts sagen. Noch nicht, wie sein Verteidiger Bernd Rosenkranz erklärte.

Die Bundesanwaltschaft wirft dem Libanesen versuchten Mord in einer Vielzahl von Fällen und das versuchte Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion vor. Die Bildung einer terroristischen Vereinigung ist aufgrund einer juristischen Feinheit bislang nicht Teil der Anklage: Zu einer terroristischen Vereinigung müssen mindestens drei Personen gehören.

Der Vorsitzende Richter Ottmar Breidling wies zum Auftakt der Verhandlung aber bereits darauf hin, dass diese Möglichkeit weiter im Raum stehe. Im Visier steht vor allem ein Bruder von E.H., der zurzeit in Schweden lebt. Zu ihm hat der 23-Jährige ein besonders inniges Verhältnis, wie er vor Gericht sagte.

Fest überzeugt ist die Bundesanwaltschaft von der Tötungsabsicht des 23-Jährigen und dessen Komplizen: Sie hätten vielen Menschen schlimmes Leid zufügen und sich danach ins Ausland absetzen wollen, sagte Horst Salzmann. Die Propangasflaschen seien nur wegen eines fehlerhaft zusammengesetzten Gasgemisches nicht explodiert.

Für die Verteidiger von Youssef Mohamed E.H. waren die unzureichend nachgebauten Bombenkonstruktionen aus dem Internet jedoch keinesfalls ein Versehen. "Unser Mandant wollte niemanden töten, das ganze sollte nur ein rein demonstrativer Akt sein", sagte Anwalt Johannes Pausch.

Auch Mitverteidiger Bernd Rosenkranz betonte: "Es stellt sich die Frage, warum jemand, wenn er in der Lage ist, 90 Prozent eines Bauplans nachzubauen, nicht auch 100 Prozent nachbauen kann." Dass sein naturwissenschaftlicher und technischer Sachverstand dafür ausgereicht hätte, machte der Angeklagte während seiner Befragung mehrfach deutlich: In Chemie und Physik sei er immer sehr gut gewesen, erklärte er wiederholt.

Videoband brachte die Ermittler auf die Spur der Männer

Nach dem Fund der herrenlosen Koffer waren die Ermittler den beiden Männern Mitte August mit Hilfe eines Videobands der Überwachungskameras auf die Spur gekommen. Die Aufnahmen zeigen, wie Jihad Hamad sowie der Angeklagte - in einem Trikot von Nationalspieler Michael Ballack - gegen 12.15 Uhr die beiden Regionalzüge am Kölner Hauptbahnhof besteigen.

Dabei haben sie zwei Koffertrolleys, in denen sich die baugleichen Bombenvorrichtungen befunden haben sollen. Um 14.30 sollte das explosive Gemisch aus Gas und Benzin explodieren - der meterhohe Feuerball und die umherfliegenden Splitter hätten die Waggons in ein Inferno verwandelt, erklären BKA-Beamte später.

Für die Tat droht dem angeklagten Libanesen eine lebenslange Haftstrafe. Mit besonderer Milde dürfte Youssef Mohamed E.H. unter dem Vorsitz des terrorerfahrenen Richters Ottmar Breidling nicht rechnen: Erst am 5. Dezember hatte der sechste Strafsenat drei Männer verurteilt, weil sie durch Versicherungsbetrug Millionenbeträge für das Terrornetzwerk Al Kaida beschaffen wollten.

Obwohl es bei dem Versuch geblieben war, verhängte der Senat Haftstrafen zwischen dreieinhalb und sieben Jahren. Ein Urteil im Kofferbomber-Prozess wird nicht vor Sommer 2008 erwartet.

(ap)
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