Ostfriesland Passagiere müssen in IC übernachten

Ostfriesland · Der Intercity 2203 aus dem ostfriesischen Norddeich rollte erst mit 22 Stunden Verspätung im Kölner Hauptbahnhof ein. Eisregen hatte die Oberleitungen einer Bahntrasse überzogen. Der Winter in NRW bleibt jedoch weitgehend mild.

Dass der Bonner Arne Goerndt am ersten Montag im neuen Jahr nicht zur Arbeit erschien, konnte er mit einer rekordverdächtigen Zugverspätung entschuldigen. "Es war eine richtige Odyssee", sagt der 50-jährige IT-Techniker. Der Bonner war wie viele andere Bahnreisende auf dem Weg zurück aus dem Silvesterurlaub an der Nordseeküste. Am Sonntag wollte er um 11.39 Uhr vom Bahnhof des niedersächsischen Norddeichs zurück ins Rheinland fahren. Doch statt der geplanten viereinhalb Stunden kam der IC 2203 erst mit 22 Stunden Verspätung am Kölner Hauptbahnhof an.

Grund dafür war Eisregen, der in Norddeutschland nicht nur für glatte Straßen gesorgt hatte, sondern auch den Bahnverkehr behinderte. Durch den Regen entstand an den Oberleitungen eine solch dicke Eisschicht, dass der elektronisch betriebene Intercity der Deutschen Bahn nicht weiter fahren konnte. Schon nach etwa zwanzig Minuten war klar: In Marienhafe auf halber Strecke zwischen Norddeich und Emden gab es kein Weiterkommen mehr. Viele der 600 Passagiere waren deshalb gezwungen, die Nacht in den Waggons des Zugs zu verbringen.

Es gebe keine Möglichkeit ein solches Gefrieren der Oberleitungen zu verhindern, sagte ein Bahnsprecher. "Weder physisch, noch elektrisch, noch mechanisch". Nachdem das Eis an der Oberleitung in Marienhafe eine Weiterfahrt nicht zuließ, entschied man sich, den Zug mit Hilfe einer Ersatzlokomotive zurück nach Norddeich zu ziehen. In Marienhafe selbst sei das Gelände zu unwegsam gewesen, heißt es bei der Bahn, um die Passagiere auf freier Strecke aussteigen zu lassen. Eine Weiterfahrt in Bussen sei wiederum aufgrund der vereisten Straßen nicht möglich gewesen, sagt der Sprecher. Die Silvesterurlauber waren nicht in der Lage, mit den Fährlinien auf die Nordseeinsel Norderney zurückzukehren, denn die Schiffe konnten wiederum aufgrund von Niedrigwasser nicht übersetzen. Nur für einige Mütter mit kleinen Kindern habe die Bahn Übernachtungsmöglichkeiten in der Nähe auftreiben können. Doch die Kapazität an Hotelzimmern sei "sehr übersichtlich" gewesen, heißt es bei der Deutschen Bahn. Die anderen Fahrgäste übernachteten in der am Bahnhof liegenden Reedereihalle der Fährgesellschaft Frisia auf Feldbetten oder im beheizten Intercity auf ihren Plätzen. Feuerwehrleute und Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes versorgten die Wartenden mit Decken, Mahlzeiten und Getränken.

Laut Arne Goerndt habe es keine ausreichenden Informationen darüber gegeben, ob man ein Hotelzimmer hätte nehmen können oder ob und wie die Reise weiter gehe. Ähnliches beklagte auch der Berliner CDU-Politiker Thorsten Schatz, der die Nacht ebenfalls im IC verbrachte. "Habe ich noch nie erlebt", schrieb der stellvertretende Fraktionsvorsitzender der CDU Berlin-Spandau auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, "600 Personen müssen versorgt werden." Unter den Fahrgästen seien auch Diabetiker gewesen. Die Rote-Kreuz-Helfer hätten die Menschen jedoch vorbildlich betreut.

Erst am nächsten Morgen konnte die Eisschicht von speziellen Lokomotiven entfernt werden und der IC seine Reise um 9.30 Uhr mit knapp 22 Stunden Verspätung fortsetzen. Seinen Startbahnhof Norddeich hatte der IC aufgrund der ungewissen Wetterlage auch erst mit mehreren Stunden Verspätung verlassen, sagt ein Bahnsprecher. Und als wäre das nicht schon nervenzehrend genug gewesen, musste der Intercity nach seiner Weiterfahrt am Morgen in Emden erneut anhalten. Der Grund war jedoch ein gewöhnlicher: eine defekte Weiche. Diese Panne konnte allerdings nach zehn Minuten behoben werden.

Die klirrende Winterkälte hat auch die Berliner Polizei ausgebremst: Ein Viertel der Streifenwagen konnte gestern Morgen nicht losfahren oder hatten Startschwierigkeiten, wie ein Polizeisprecher sagte. Die Streifenwagen seien in Wärmehallen gebracht worden, überwiegend waren Fahrzeuge des Typs Opel Zafira aus verschiedenen Baujahren betroffen. Spiegelglatte Straßen sorgten in Niedersachsen und Bremen für mehr als 300 Unfälle. Allein die Polizeidirektion Oldenburg meldete in einer ersten Bilanz 183 Unfälle. Bei 16 davon wurden Menschen verletzt.

Unabhängig vom Wetter wird der gebürtige Norderneyer Arne Goerndt wohl nicht mehr mit dem Zug in den Norden fahren. "Nach dieser Odyssee werde ich meine Freundin wohl dazu nicht mehr überreden können."

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