Interview Ben Feringa Die Freude am Entdecken

Ben Feringa hat 2016 den Nobelpreis für Chemie erhalten. Bei "Chemie live erleben" an der Hochschule Niederrhein motiviert er seine Hörer.

Der Initiativkreis Mönchengladbach hat wieder einen Nobelpreisträger eingeladen. Vor einem dicht gefüllten Audimax spricht der niederländische Professor der Universität Groningen, Ben Feringa, über seine Entdeckung des molekularen Motors. Das Thema ist komplex, der Vortrag aber unterhaltsam, voller Bilder und animierten Videos. Es ist das Motto des 66-jährigen Wissenschaftlers, seine Forschung allen Menschen begreifbar zu machen. Und Studenten dazu zu motivieren, nicht aufzugeben. "Entdecken Sie Ihre Energie und Leidenschaft", appelliert er am Ende seines Vortrags: "Verlieren Sie niemals die Freude daran." Der Beifall ist groß.

Am Ende Ihrer Vorlesung sagen Sie Ihren Studenten auch, dass sie ihren Träumen folgen sollen. Haben Sie das selbst auch getan?

Feringa Ich war immer sehr neugierig, Abenteuer haben mich als kleinen Jungen fasziniert. Ich habe Bücher gelesen über Entdeckungen und Erfindungen, zum Beispiel von Alexander von Humboldt. Und dann hatte ich das Glück, einen Lehrer an der Schule zu haben, der mich motiviert hat. Auch an der Uni wurde ich dazu angeregt, selbst zu denken, ich sei kreativ genug, um neue Dinge schaffen.

Haben Sie sich immer schon für Chemie interessiert?

Feringa In Literatur und Sprache hatte ich nicht die besten Noten. Ich war an allen Naturwissenschaften interessiert, Mathematik, Physik, Chemie, Biologie. Und das kam wie gesagt durch den Lehrer, den ich hatte. Das macht so einen großen Unterschied aus. Ich habe ihn noch kürzlich getroffen, er ist mittlerweile über 70, und er hat einen wichtigen Satz gesagt: Jedes Kind soll wenigstens einen guten Lehrer haben. Das wirkt sich nämlich auf den Rest seines Lebens aus.

Lag Ihnen das Unterrichten von Anfang an?

Feringa Nach meinem Doktor-Studium bin ich zu Shell gegangen für sechseinhalb Jahre und bin dann wieder an die Hochschule gewechselt, eben um zu unterrichten. Mir macht das Unterrichten Spaß, ich wollte mit jungen Menschen zusammenarbeiten und forschen.

Wie coachen Sie ihre Studenten?

Feringa Ich geben ihnen sehr viel Freiraum, sie arbeiten in Teams mit Studenten aus unterschiedlichen Ländern, und wir veranstalten regelmäßig Gruppentreffen. Alle zwei Wochen treffen wir uns in den sogenannten Sub-Gruppen, die für verschiedene Bereiche zuständig sind, und jeder berichtet von seinem Forschungsstand. Die Studenten, die am Anfang ihres Studiums stehen, sind in die Gruppe älterer Studenten integriert, damit sie sich nicht isolieren oder zurückbleiben. Ich mag es, wenn sie sich gegenseitig herausfordern. Und auch ich fordere sie heraus, ich sage ihnen: In vier Jahren seid ihr alle besser als ich, weil ihr die Richtigen dafür seid.

Was sagen Sie, wenn sie jemanden treffen, der sich nicht für Chemie interessiert?

Feringa Man muss sich nicht für Chemie interessieren. Aber es ist immer schlau, Bescheid zu wissen über die Dinge, die uns umgeben. Wenn wir uns umschauen, sind wir überall umgeben von Materialien, unser Smartphone, unsere Kleidung, Medizin, Autos. Man redet heute über Klimawandel, Umweltverschmutzung, Plastik. Man sollte zumindest ein bisschen von alldem verstehen.

Welche Unterrichtsmethoden sind Ihnen wichtig?

Feringa Die Studenten sollten mehr zusammenarbeiten und Gruppenübungen machen. Früher gab es nur Frontalunterricht, aber heute stehen Studenten auch vor anderen Herausforderungen, und der Lehrer ist dadurch auch Mentor geworden. Ich bin davon überzeugt, dass nur ein Lehrer in Person Basiswissen und Grundlagenkenntnisse vermitteln kann. Moderne Lehrmethoden mit Computerprogrammen sind gut, ich benutze ja auch PowerPoint, aber ich glaube fest daran, dass es unersätzlich ist, einen Lehrer zu haben, der gut erklären kann und in den Kontext einzuordnen weiß. Das ist so wichtig für Kinder. Und die Gruppenarbeit ist wichtig, damit sie lernen, zusammenzuarbeiten und voneinander zu lernen.

Was bemängeln Sie konkret?

Feringa Ich bin nicht in der Position dazu, etwas zu bemängeln. Aber es ist für ein Land einfach wichtig, seine Lehrer gut auszubilden, denn sie werden wiederum die nächste Generation ausbilden. An der Hochschule müssen Studenten, so früh es geht, mit Forschung konfrontiert werden, mit den Themen der Zukunft. Wir sollten aufhören, unsere Studenten für die Gegenwart auszubilden und uns an Themen aufzuhalten, die vor 50 Jahren relevant waren. Vielmehr müssen wir für die Zeit in zehn Jahren ausbilden und darauf vorbereiten. Grundlagenkenntnisse sollen dazu dienen, die Perspektive auf die Zukunft zu richten.

Was sagen Sie zur Lehre an deutschen Hochschulen?

Feringa Mein Eindruck ist immer, dass die Lehre an deutschen Hochschulen sehr gründlich ist und die Studenten über gute Grundlagenkenntnisse verfügen.

Wie hat sich das angefühlt, als Sie vom Nobelpreis erfuhren?

Feringa Das allererste Gefühl: Schock. Ich bekam den Anruf im Labor, sie rufen ja eine Stunde vor Bekanntgabe an. Nach vier Minuten sagte die Sekretärin des Nobelpreis-Komitees: "Mr. Feringa, sind Sie noch dran?" Das ist der Traum eines kleines Jungen, und als Wissenschaftler denkt man da einfach nicht mehr drüber nach. Ich war so sehr mit meiner Forschung beschäftigt und mit meinen Studenten.

Also haben Sie gar nicht damit gerechnet?

Feringa Nein. Dass ich den Preis erhalten könnte, wurde ab und an erwähnt. Gerechnet habe ich damit nicht. Fünf Jahre zuvor bekam ich einen Anruf aus Amerika. Der Anrufer sagte: "Ben, weißt du, dass du gestern Abend im amerikanischen Fernsehn warst?" Ich wollte das nicht glauben. "Bei den Simpsons", sagte der Anrufer. In der Simpsons-Folge war gewettet worden, wer den nächsten Nobelpreis erhält. Und da fiel mein Name, zusammen mit W.E. Moerner. Der erhielt ihn 2014, ich zwei Jahre später. Ich dachte mir da: Wenn das die größte Ehre ist, die ich in meinem Leben bekommen kann, bei den Simpsons genannt zu werden, ist meine Karriere fantastisch. Mehr brauche ich nicht.

LEA HENSEN FÜHRTE DAS INTERVIEW MIT BEN FERINGA.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort