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Späte Mütter - vom Glück in letzter Sekunde

Den Mann für eine Familie fand Susanne Fischer erst spät - und bekam mit 43 ihr erstes Kind. Genau zur richtigen Zeit, findet sie.

Sie wollte immer Mutter werden, tief in ihrem Innern wusste sie das. Doch dann zieht Susanne Fischer nach dem Studium erst einmal in die Welt. Sie arbeitet als Reporterin in Hamburg und Berlin, später im Ausland. Sie verliebt sich in einen Mann, der das gleiche Leben führt, nur ist er noch mehr unterwegs, auch in Krisenregionen. Sie sind ein lässiges Paar, zwei aufgeschlossene Individualisten, die eine Fernbeziehung meistern, bei Abenteuerreisen aber auch Nähe aushalten, einen globalen Freundeskreis pflegen. Die Hochzeiten ihrer Bekannten feiern sie in Berlin, Moskau, einem Dörfchen in Estland. Werden sie nach Familienplänen gefragt, antwortete er: "Wir haben doch unsere Bonsais." Sie sagt nichts. Sehr lange. Erst mit Ende 30 sieht Susanne Fischer die Risse in ihrer Beziehung, erkennt, dass in einer Partnerschaft etwas nicht stimmt, wenn einer nicht von seinem Kinderwunsch zu sprechen wagt.

"Ich wollte immer einen Vater und nicht nur einen Erzeuger für ein Kind", sagt Susanne Fischer. "Ein Kind, das stand für mich fest, müssen beide von Herzen wollen." Dieser Idealzustand habe lange auf sich warten lassen. "Sicher auch, weil ich mit 30 nicht willensstark genug war, mir eindeutig ein Kind zu wünschen", so Fischer, "notfalls auch gegen meinen Partner."

Mit 38 trennt sich Fischer von ihrem langjährigen Lebensgefährten und versucht, sich ohne Bitterkeit auf das neue Leben als Single einzulassen, keine Torschlusspanik zu entwickeln. Wieder geht sie zum Arbeiten ins Ausland, erst in den Irak, dann in den Libanon. Dort lernt sie mit 40 einen Mann kennen, der noch vor ihr davon spricht, dass er eine Familie gründen möchte. Er findet das ganz natürlich, sieht in Kindern keine Selbstaufgabe, keinen Mangel an Freiheitsliebe, keinen Verrat an der Emanzipation.

Die beiden heiraten, sind bereit für das Wunschkind - doch die Natur ist es zunächst nicht. Bei Frauen über 40 dauert es im Schnitt 20 Monate, bis sie schwanger werden. Auch Fischer und ihr Mann brauchen Geduld. Als sie ihren ersten Sohn im Arm hält, ist sie 43 Jahre alt.

Reife Eltern: Was früher Ausnahme war, die Familiengründung jenseits der 40, ist neue gesellschaftliche Tendenz. Die Biografien von Frauen haben sich verändert. Selbstverständlich machen sie heute Abitur, studieren, sammeln Erfahrungen im Ausland und wollen beruflich Fuß fassen, bevor sie an Nachwuchs denken. Bildungsgänge dauern länger, so verschiebt sich das ideale Alter zur Familiengründung. Diesen sozialen Befund bestätigen die Statistiken: In den 60er Jahren bekamen Frauen ihr erstes Kind im Schnitt mit 24 Jahren, 2008 lag das Alter von Erstgebärenden bereits bei 30,4 Jahren. Der demografische Wendepunkt fällt ins Jahr 2003, seitdem bringen hier die Über-30-Jährigen mehr Kinder auf die Welt als Frauen unter 30.

Und wie so oft bei Fragen, die Familie und weibliche Lebensplanung betreffen, gibt es rigide Ansichten zu dieser Entwicklung. Späte Mütter stehen unter Egoismus-Verdacht. Man wirft ihnen vor, das Leben erst genießen zu wollen, die Karriere wichtiger zu nehmen als die Familie und dann als letzten Kick der Selbstverwirklichung noch ein Kind in die Welt zu setzen. Das verdrängt die Frage, wie häufig Männer vor der endgültigen Festlegung durch ein Kind zurückschrecken, wie viele Frauen späte Mütter werden, weil sie sich vertrösten lassen.

Und es ist eine Haltung, die nicht wertschätzt, wenn Eltern auch spät noch die Verantwortung für ein Kind übernehmen, sich Nächte um die Ohren schlagen, sich mit Pubertätsquerelen plagen, während ihre Altersgenossen auf den sonnigen Ruhestand zusteuern. Obwohl Deutschland mit den Folgen einer alternden Gesellschaft zu kämpfen hat, gibt es kaum Anerkennung für Paare, die sich gerade noch rechtzeitig für Kinder entscheiden. Doch wann ist "rechtzeitig"? Der weibliche Körper hat sich den veränderten Biografien moderner Frauen nicht angepasst. Ab dem 25. Lebensjahr etwa lässt die Fruchtbarkeit nach, unerbittlich. Dagegen hat die Reproduktionsmedizin ihre Methoden entwickelt, doch wirft das ethische Fragen auf: Wie weit darf die Technik gehen? Und wie spät ein Paar noch Kinder wollen?

Fischer hält es für unangemessen, späten Eltern pauschal mangelnde Verantwortung vorzuwerfen. "Niemand weiß, was das Leben wann für einen bereithält", argumentiert sie. Weil sie die Vorurteile gegenüber älteren Müttern selbst gespürt hat, hat sie ihre eigene Geschichte öffentlich gemacht, in dem Buch "Ansichten einer späten Mutter". Darin nennt sie die Vorteile der Familiengründung im reiferen Alter: Späte Mütter haderten weniger mit der Entscheidung fürs Kind, weil sie sich in anderen Zusammenhängen bereits ausprobiert haben. Manche Kämpfe etwa mit den eigenen Eltern seien schon ausgestanden, die Beziehungen in der Familie entspannter.

Der Wiedereinstieg in den Beruf falle späten Müttern oft leichter, weil sie sich schon feste Karrierepositionen erarbeitet haben. "Meine Jahre als Kinderlose haben mein heutiges Glück quasi vorfinanziert", sagt Fischer, "ich habe ein bestimmtes Leben geführt, bevor ich Kinder hatte, und das war auch gut so, und nun führe ich ein ganz anderes Leben, mit dem ich ebenfalls sehr glücklich bin." Im Februar ist sie zum zweiten Mal Mutter geworden - mit 45. Die "totale Erschöpfung" junger Eltern nehmen Fischer und ihr Mann mit der gleichen Selbstironie wie jüngere Eltern. Über die Zukunft aber machen sie sich andere Gedanken. "Ich hoffe, dass meine Söhne später nie peinlich berührt sind, weil ihre Mutter älter ist als die Mütter ihrer Freunde", sagt Fischer. "Heute hängen sie an mir mit der bedingungslosen Liebe von Kleinkindern - aber wie wird das sein, wenn sie Teenager sind und unter dem Einfluss anderer stehen?"

Das wird wohl auch davon abhängen, wie sich die gesellschaftliche Akzeptanz später Eltern entwickelt. Fischer jedenfalls hat ihr Buch auch geschrieben, um Frauen mit ähnlichen Lebenswegen die Angst vor später Mutterschaft zu nehmen. Und weil sie es traurig findet, wenn Frauen unter gesellschaftlichem Druck auf das Glück eines Lebens mit Kindern verzichten. Potenziellen späten Müttern rät sie: "Auf ins Abenteuer! Und nicht so viel Angst haben. Aus Angst, es nicht richtig zu machen, lassen viele Frauen meiner Generation das mit den Kindern ja lieber gleich ganz - und ahnen nicht, was sie dadurch versäumen."

(RP)
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