Medizin Wie ein Wutausbruch das Herz schädigt

Sydney · In emotional angespannten Momenten steigen der Stresshormonspiegel und der Blutdruck heftig an. Das kann in den Herzkranzgefäßen und auch im Herzmuskel zu dramatischen Konsequenzen führen - etwa zu einem Herzinfarkt.

Herzinfarkt – Das sind die Anzeichen beim Mann
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Foto: dpa, Britta Pedersen

Der Held explodiert vor Wut und packt sich dann vor Schmerz ans Herz: Diese typische Kino-Szene ist aus medizinischer Sicht mitnichten übertrieben. Sie spiegelt vielmehr einen medizinischen Ernstfall genauer als bislang gedacht. Wie australische Forscher jetzt in einer Studie nachgewiesen haben, sind Herzinfarkte und Schlaganfälle nach Wutausbrüchen gar keine Seltenheit, sondern kommen relativ häufig vor. Die Arbeitsgruppe um Thomas Buckley vom Angioplasty Center Sydney veröffentlichte ihre Ergebnisse jetzt im "European Heart Journal".

Die Kardiologen aus Sydney befragten 313 Patienten, deren Herzinfarkte sie behandelt hatten, zu ihren Emotionen in den 48 Stunden vor ihrem Infarkt. Die Teilnehmer sollten starke Emotionen wie Wut und Angst, die sie gegebenenfalls vor dem Infarkt erlebten, auf einer Skala von 1 bis 7 bewerten. Erreichten die Befragten auf dieser Skala mindestens den Wert fünf, besaßen sie ein 8,5-fach erhöhtes Risiko, in den folgenden zwei Stunden einen Herzinfarkt zu erleiden. Für Patienten, die in diesem Zwei-Tage-Zeitraum von sehr starken Angstzuständen gequält wurden, stieg das Herzinfarkt-Risiko sogar um das 9,5-Fache. Wut oder Angst: Beides kann also gewaltig aufs Herz schlagen.

Malte Kelm, Direktor der kardiologischen Klinik am Universitätsklinikum Düsseldorf, erklärt genauer, was da passiert. "Wutausbrüche stellen eine emotionale Stressbelastung und außergewöhnliche Situation dar. Sie können mit einer massiven Ausschüttung von Stresshormonen, etwa Noradrenalin und Adrenalin, einhergehen. Dadurch kann es zu einer Verengung des Gefäßes bis zum Verschluss kommen. Das ist etwa beim sogenannten Vasospasmus der Fall." Und wenn die Gefäße bereits vorher krankhaft verengt sind? Dann können sie in einer solchen Situation, wenn der Blutdruck massiv ansteigt, auch einreißen und dann wie bei einer Thrombose verstopfen."

Anfällig für Infarkte und Schlaganfälle waren vor allem Patienten mit kardiologisch und neurologisch ungünstigen Vorerkrankungen: Bluthochdruck, bereits verengte Herzkranzgefäße, Diabetes, erhöhte Blutfette, Nikotinkonsum, Stress. Gerade für sie scheint es wichtig, dass sie ihre emotionalen Belastungen mindern, Konfliktsituationen etwa im Büro betriebsärztlich klären und auch Anti-Aggressionsübungen unternehmen.

Neu an den Ergebnissen aus Sydney ist, dass auch Schübe von Angst den lebensgefährlichen Infarkt des Herzmuskels durch dessen mangelnde Durchblutung auslösen können. Bislang kannte man vor allem den Zusammenhang von Wut und Infarkt, unter anderem durch eine Studie der Harvard University aus dem vergangenen Jahr (ebenfalls im "European Heart Journal" veröffentlicht). Somit kann auch die Behandlung von Angststörungen dem Auftreten von Herzinfarkten und Schlaganfällen vorbeugen.

Allerdings gibt es zur Behandlung solcher Patienten längst nicht genug Psychiater und Psychotherapeuten. Wie wichtig ihre Hilfe sein könnte, zeigte vor einiger Zeit eine Studie des Kardiologen Xiao Xu von der Yale School of Medicine (USA) im Fachjournal "Circulation". Vor allem jüngere Patienten, die dauerhaft unter Stress und Sorgen litten, erlebten hinterher keine ausreichende Erholung und Rehabilitation nach dem Herzinfarkt. Vor allem bei Frauen gelinge die Erholung nach einem Herzinfarkt durch weiterhin ungeminderten Stress nur sehr eingeschränkt. Frauen werden oft von einem weiteren Krankheitsbild heimgesucht: dass die Stresshormone nicht nur die Kranzgefäße schädigen, sondern auch den Herzmuskel. Kelm: "Dann wird der Herzmuskel durch die dauerhafte Stimulation, welche die Stresshormone auslösen, mit Kalzium überladen, es kommt zu einer Schockstarre des Herzmuskels. Das nennt man unter Kardiologen die Tako-Tsubo-Kardiomyopathie. Vor allem ältere Frauen werden davon betroffen."

(RP)
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