Truppenbesuch in Afghanistan Guttenberg — der Inszenator

Afghanistan (RPO). Es gibt keinen deutschen Politiker, der sich so glamourös in Szene setzt wie der Freiherr aus dem Frankenland, Karl-Theodor zu Guttenberg. Der CSU-Minister und seine junge Frau werden als "Kennedys" gefeiert und vom Volk bejubelt. In der Politik wächst der Neid. Wie lange geht das gut?

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Foto: dapd

Als die ersten Bilder der Guttenbergs von ihrem Afghanistan-Besuch im politischen Berlin einlaufen, stöhnt ein Mitglied der Bundesregierung auf: "Schon wieder eine Woche der Guttenbergs", sagt der CDU-Mann und schaltet den Fernseher im Büro aus.

Ja, es scheint eine Woche der Guttenbergs zu werden. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat überraschend seine Ehefrau Stephanie mit nach Afghanistan, mitten ins umkämpfte Kundus genommen, und auch Fernsehstar Johannes B. Kerner darf als Gast Soldaten im Zeltlager interviewen. Im politischen Berlin ist die Reise Thema Nummer eins. Von der Euro-Krise redet kaum einer.

Eindeutiges Signal an die Truppe

Wie so oft bei dem adeligen CSU-Star, der seit mehr als einem Jahr unangefochten an der Spitze der Beliebtheitsskala der deutschen Politik steht, sind es Bilder, die seine Botschaften transportieren. Die Ministergattin läuft im Holzfällerhemd und in Stiefeln an der Spitze einer Soldatengruppe über das staubige Feld in Nord-Afghanistan. Er diskutiert im schwarzem Fliegerblouson mit einem Papp-Kaffeebecher in der Hand mit Soldatinnen. Das Signal: Kurz vor Weihnachten, dem Fest der Heimat und der Familie, steht das Ehepaar fest an der Seite der Truppe. Alle zwei Monate reist der Verteidigungsminister nach Afghanistan. Dieses Mal ist das Medienecho so groß wie nie.

"Ein echter Coup", schwärmen die Guttenberg-Unterstützer im heimischen München. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe lobt die "starke Solidaritätsgeste". Die Opposition wettert gegen eine "billige PR-Inszenierung".
Es ist wie so oft: Wo Karl-Theodor zu Guttenberg auftritt, herrscht Aufsehen. Der 38-Jährige, dessen familiäre Wurzeln auf ein fränkisches Adelsgeschlecht aus dem 12. Jahrhundert zurückgehen, ist das schillerndste Phänomen der deutschen Politik. Saß er vor drei Jahren noch als Hinterbänkler mit Sinn für Außenpolitik im Bundestag, gilt es heute nur als Frage der Zeit, wann Guttenberg nach der Kanzlerschaft greift.

Die Sehnsucht der Deutschen

Eine KatapultKarriere, die viel mit Guttenbergs perfektem Auftreten und seiner geschliffenen Wortwahl, aber wohl auch mit einer Inszenierungskunst zu tun hat, die fast magische Züge entwickelt. Guttenberg bedient die Sehnsucht der Deutschen nach einem aufrechten Politiker, der für konservative Werte und gute Manieren steht, aber auch den Glanz des Adels in die graue Bürokraten-Welt der Politik bringt.

Einen Mann aus einer "frühneuzeitlichen Zwischenwelt aus Haltung und Aufbruch" entdeckt der "Focus" in dem CSU-Politiker. Die Medien feiern Guttenberg und seine junge, selbstbewusste und in der Öffentlichkeit als TV-Expertin inzwischen bekannte Frau seit Wochen — mal als "Superguttenbergs" ("Bild am Sonntag"), "fabelhafte Guttenbergs" ("Der Spiegel") oder als "fränkische Kennedys".

Das stets bis ins Detail kultivierte Auftreten des Ministers erinnert an monarchische Zeiten. Vom "Bürgerkönig" ist die Rede. "Er tritt buchstäblich aristokratisch auf und versprüht dabei keinerlei Arroganz", sagt der Medienexperte Norbert Bolz. "Ein solcher Gentleman ist der natürliche Feind der politischen Klasse."

Guttenberg weiß das zu nutzen. Kaum ein Politiker hat so schnell Karriere in der Politik gemacht und sich gleichzeitig so massiv von dem politischen Betrieb in seiner bekannten Form distanziert. In fast jeder Rede mahnt er Demut und Bescheidenheit an, geißelt Postengeschacher und fordert, die Politik müsse den Menschen mehr erklären. Geschickt chargiert Guttenberg in seinen Reden zwischen geschliffener Rhetorik und der direkten Sprache für Lieschen Müller. Mal erwähnt er, dass er den griechischen Philosophen Plato im Original liest.

Momente, in denen Guttenberg überdreht

Dann schimpft er hemdsärmelig über "depperte Personaldebatten", wenn er mal wieder als Nachfolger von CSU-Chef Horst Seehofer genannt wird.
Es könne jederzeit zu Ende sein mit der Popularität, sagt "KT", wie ihn seine Freunde nennen, gelassen. Dass er den Posten des glanzvollsten Politikers Deutschlands indes nur ungern abgeben würde, belegen Momente, in denen Guttenberg überdreht. Zu Beginn seiner Amtszeit als Wirtschaftsminister zeigte er sich mit ausgebreiteten Armen auf dem New Yorker Times Square. "Mir gehört die Welt", signalisierte das Bild. Auf einem anderen Foto posiert er auf einer Dinosaurier-Nachbildung, seine Frau Stephanie liegt zu seinen Füßen. Das Foto hat Guttenberg inzwischen verbieten lassen.

Nun also der spektakuläre Besuch in Afghanistan mit Ehefrau und Talkshow-Moderator. Die Truppe soll sich gefreut haben, berichteten Mitglieder der Delegation gestern Abend. Der Medienexperte Michael Spreng, einst Berater von CSU-Mann Edmund Stoiber, ist skeptisch. Er sieht die Gefahr der Über-Inszenierung: "Im Mittelpunkt müssen die Soldaten stehen und nicht die Guttenbergs."

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