Experte greift von der Leyens Pläne an Sperrung von Kinderporno-Seiten "wirkungslos"

Berlin (RPO). Der Datenschutzexperte Andreas Pfitzmann ist der Ansicht, die Pläne von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) zur Sperrung von Kinderporno-Seiten im Internet seien "weitestgehend wirkungslos".

Ursula von der Leyen - EU-Kommissionschefin und siebenfache Mutter
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Foto: AP/Efrem Lukatsky

Wer wirklich an Kinderpornografie kommen wolle "und nicht mal aus Versehen auf eine Seite tappen", werde auch trotz der Sperren weiterhin vollen Zugriff auf solche Inhalte haben, sagte Pfitzmann am Mittwoch dem RBB-Hörfunksender Radio Eins. Es sei etwa möglich, eine verschlüsselte Verbindung zu einem Server im Ausland aufzubauen und sich von dort aus zu Servern verbinden zu lassen, die Kinderpornografie enthielten.

Der Professor für Datenschutz und Datensicherheit an der Technischen Universität Dresden kritisierte: "Die Ressourcen, die gebunden werden durch diese technisch völlig unsinnige Diskussion sind eine Riesen-Verschwendung." Pfitzmann nannte den Kampf gegen Kinderpornografie im Internet "ziemlich frustrierend" und warf von der Leyen Wahlkampftaktiererei vor.

Von anderen Stellen erntete von der Leyen dagegen Lob. Europol-Chef Max-Peter Ratzel sagte, die Bundesregierung müsse im Kampf gegen Missbrauch von Kindern mit gutem Beispiel vorangehen. "Wenn ein großes Land wie Deutschland Internet-Sperren gegen Kinderpornografie einführt, ist das eine Initialzündung für ganz Europa." Bisher hätten erst 5 der 27 EU-Mitgliedsstaaten nationale Sperrlisten eingerichtet, die bei Europol als Zentralstelle vernetzt seien.

Auch Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) forderte eine rasche Einführung von Internet-Sperren. Weil eine gesetzliche Regelung in dieser Legislaturperiode vermutlich nicht mehr zu schaffen sei, "müssen wir im Vorgriff auf ein Gesetz Sperren zunächst vertraglich mit den Internet-Anbietern vereinbaren", verlangte Bosbach. Er warnte die Internet-Anbieter davor, sich einer vertraglichen Lösung zu verschließen. Bisher wolle leider nur ein Teil der Provider einem Vertag zustimmen. Die grundrechtlichen Bedenken von Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) gegen vertraglich vereinbarte Sperren seien nicht nachvollziehbar, sagte Bosbach.

Europol-Direktor Ratzel wies rechtliche Einwände gegen Blockaden kinderpornografischer Internetseiten ebenfalls zurück. "Es geht um den schlichten Warnhinweis an Internet-Nutzer, dass eine aufgerufene Seite kinderpornografische Bilder oder Filme enthält. Das hat mit Zensur das Internets nun wirklich nichts zu tun." Die Erfahrungen im Ausland mit Blockaden seien durchweg positiv.

Der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, mahnte die Sperrung von einschlägigen Internet-Seiten an. "Der Staat hat die Verpflichtung, das Verbot von Kinderpornografie nicht nur strafrechtlich, sondern auch präventiv und medientechnisch durchzusetzen", sagte Hilgers. Deshalb sei es richtig, dass es nun ein Gesetz zur Sperrung der Internet-Seiten geben soll.

Der Hightech-Verband Bitkom empfiehlt Internetfirmen, schon vor einer Gesetzesänderung freiwillige Vereinbarungen zur Sperrung von Kinderporno-Seiten zu schließen. Das sagte Bitkom-Vizepräsident und Microsoft-Deutschland-Chef Achim Berg. "Wir erwarten aber, dass die Bundesregierung ihr Versprechen einlöst, kurzfristig ein Gesetz zu erlassen", mahnte er. Bitkom ist Interessenvertreter der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche und vertritt nach eigenen Angaben mehr als 1200 Unternehmen.

Auch Vodafone-Chef Friedrich Joussen appellierte: "Das Thema ist so wichtig, dass man es nicht auf die lange Bank schieben darf." Bis zur Verabschiedung eines Gesetzes müsse an einer freiwilligen Vereinbarung gearbeitet werden. "Wir sind als Telekomfirmen aber kein Zensor, keine Internet-Polizei", betonte Joussen. Diese Rolle müssten staatliche Stellen übernehmen.

Von der Leyen will Internet-Anbieter vertraglich dazu verpflichten, Websites mit Kinderpornografie zu sperren. Die Internet-Anbieter fordern jedoch eine gesetzliche Grundlage. Dazu plant die Bundesregierung, das sogenannte Telemediengesetz ändern. Eckpunkte will das Bundeskabinett an diesem Mittwoch beschließen.

(DDP)
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