SPD-Kanzlerkandidat im Chat Steinbrück stellt sich dem Internet

Berlin · Bisher hat es Peer Steinbrück nicht so mit dem Internet. "Wenn es als inszeniert empfunden wird, verlieren Sie jede Glaubwürdigkeit", sagt er. Am Dienstag versuchte er es mit einem Chat. Dabei ging es auch um Altkanzler-Treffen und die Wertschätzung für Merkels Hosenanzüge.

Das Tippen überlässt Peer Steinbrück lieber anderen. "Ich diktiere und ein hilfreicher Geist neben mir tippt. Einfach weil sie das besser und schneller kann als ich", lässt er die Internetgemeinde am Dienstag wissen. Es ist Steinbrücks erster Chat als SPD-Kanzlerkandidat. Die Aufregung war groß, als er betonte, auch als Herausforderer Angela Merkels nicht zu twittern und auch sonst nicht im Netz omnipräsent sein zu wollen. Viele finden es aber auch sympathisch, dass der 65-Jährige einfach nicht jedem Trend folgt.

Aber er weiß, dass er dieses Medium nicht ganz außen vor lassen kann. "Ich bin mir sehr sicher, dass man auch Peer Steinbrück überzeugen wird, den Dialog im Internet zu suchen", sagte jüngst der netzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Lars Klingbeil.

Zu Beginn ist Steinbrück anzumerken, dass er den Chat nicht aus freien Stücken macht, sondern als Teil seiner Mission. "Glauben Sie, Sie können Merkel schlagen?", wird er gefragt. Steinbrücks Antwort: "Sonst säße ich nicht hier." Der SPD-Chat zeigt deutlich, dass nur Fragen mit Substanz zu Steinbrück durchgelassen werden, anders als bei Twitter lässt sich so ein Chat für eine Partei leichter steuern.

Irgendwann wird er zu seinem Tagesablauf als Kandidat gefragt. Die Agenda nach dem Dialog am Dienstag: "Ich treffe mich gleich mit einem Altkanzler, danach bin ich beim japanischen Botschafter, dann in der SPD-Bundestagsfraktion, es folgen eine Reihe vertraulicher Gespräche, und schließlich gehe ich am Abend zu einer Veranstaltung des DGB Baden-Württemberg".

Es folgt die Frage, ob mit Altkanzler in weiser Voraussicht Merkel gemeint gewesen sei. "Darum wird es gehen, wenn ich mich mit ihr in einem Jahr auf ein Glas Weißwein treffe", lässt Steinbrück den "Geist" neben ihm im Willy-Brandt-Haus in die Tasten tippen. Dann geht es darum, wovon er sich bei der Kanzlerin gerne mal eine Scheibe abschneiden würde. Steinbrück: "Von ihren Hosenanzügen".

Natürlich sind auch seine Nebenverdienste Thema. Steinbrück hat die meisten Nebeneinkünfte von allen 620 Bundestagsabgeordneten, was gerade bei der Parteibasis Stirnrunzeln auslöst. Aber hinter ihm folgen auf der Rangliste mit den zehn besten Nebenverdienern nur Politiker von Union und FDP. Die SPD hat nach den Attacken gegen Steinbrück bekanntermaßen den Spieß umgedreht und will rasch eine Veröffentlichung auf Euro und Cent für alle Abgeordnete durchsetzen.

"Nun stellen sie fest, dass die Steine, die sie in meinen Kopf zu werfen versucht haben, sich als Bumerang an ihren Kopf herausstellen", meint Steinbrück mit Blick an das schwarz-gelbe Lager. Er selbst werde auf der Grundlage der Arbeiten eines Wirtschaftsprüfers seine Honorareinkünfte demnächst offenlegen.

Ansonsten erweitert der frühere Bundesfinanzminister in dem Chat auch seine Themenpalette. Er ermuntert die SPD-Bürgermeister von Hamburg, Berlin und München, Konzepte für sozialen Wohnungsbau vorzulegen - um dem Anstieg der Mieten begegnen zu können. Und er kündigt zur Familienpolitik an: Ich würde in Zukunft nicht mehr das Kindergeld erhöhen - 10 Euro pro Kind monatlich summieren sich auf über 1 Milliarde -, sondern dieses Geld in den Ausbau von Betreuungsplätzen und ganztagsbetreuten Grundschulen stecken."

Zum Schluss bittet er quasi schon einmal vorauseilend um Nachsicht im Wahlkampf, wenn seine Zunge mal wieder zu locker sitzt - gerade dies ist ein Fallstrick für den Kandidaten Steinbrück. Und zugleich ein großes Pfund in der Auseinandersetzung mit Merkel. "Wenn Sie nicht das folgenlose Geschwurbel von Politikern hören wollen", sagt Steinbrück den Chat-Teilnehmern, müssten sie ihm nachsehen, "wenn er sich gelegentlich in Bildern und im Klartext auch mal vergreift".

(dpa)
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