Ein Besuch im Athener Goethe-Institut "Verlassen Sie bitte sofort unser Haus!"

Athen · Ein Besuch im Athener Goethe-Institut zeigt, wie angespannt die emotionale Situation in Griechenland derzeit ist, wenn es um Deutschland geht. Unsere Reporterin wurde kurzerhand aus dem Haus herauskomplimentiert.

 Der Eingang des Goethe-Instituts in Athen.

Der Eingang des Goethe-Instituts in Athen.

Foto: dpa, yk jak

Am Empfang des Athener Goethe-Instituts sitzt ein freundlicher junger Mann. Wir sagen uns Hallo, ich frage ihn, ob er auch deutsch spricht. Ja, ein wenig, lautet seine Antwort. Ich sage ihm, ich sei eine deutsche Reporterin. Angesichts der Schlagzeilen von heute möchte ich wissen, was die Mitarbeiter im Goethe-Institut über die jüngsten Äußerungen der griechischen Regierung denken. Denn Justizminister Nikos Paraskevopoulos habe damit gedroht, das Gebäude des Athener Goethe-Instituts zu pfänden, weil Deutschland nicht bereit sei, griechische Reparationsforderungen nach dem Zweiten Weltkrieg zu bezahlen.

 Birgit Marschall ist Redakteurin in der Parlamentsredaktion der Rheinischen Post in Berlin.

Birgit Marschall ist Redakteurin in der Parlamentsredaktion der Rheinischen Post in Berlin.

Foto: Marschall

Der junge Mann runzelt die Stirn, sagt, dazu dürfe er keine Stellung nehmen. Order von der Leitung des Hauses. Er ist aber bereit, die Pressesprecherin anzurufen. Auch sie sagt mir kurz danach, dass das Goethe-Institut keine Stellung nehme. Darauf sage ich zu dem jungen Mann, dass ich jetzt einen Kaffee im Foyer trinken gehen möchte. Er sagt mir, das sei auch verboten, aber ich tue es trotzdem.

Zwei aufgebrachte Pressesprecherinnen tauchen auf

An der Kaffeebar treffe ich eine deutsche Angestellte, die mir einen Kaffee verkauft, aber auch auf keinen Fall Stellung nehmen will. Befehl von ganz oben. Ich setze mich zu einem etwa 50-jährigen Griechen mittleren Alters, der an Studienunterlagen arbeitet, weil er dabei ist, Deutsch zu lernen.

Es sei ihm alles furchtbar peinlich, was die griechische Regierung da tue, sagt Nikos Velonis. "Ich bin beschämt. Die Tsipras-Regierung repräsentiert nicht die Mehrheitsmeinung." Es gebe sicher auch viele Leute, die folgten dieser Rhetorik. Er aber sei der Meinung, Tsipras instrumentalisiere "die dunkelsten Gefühle" der Griechen. Die Reparationsfrage hätte Tsipras ansprechen können, wenn er in den 50er Jahren gelebt hätte, jetzt aber sei es zu spät dafür, sagt Velonis, der als Unternehmensberater arbeitet. Es sei "unethisch", die Reparationen und Griechenlands schwierige Lage in der aktuellen Krise zu verknüpfen.

Velonis sagt dies, da tauchen plötzlich neben uns zwei aufgebrachte Pressesprecherinnen auf. Man habe mir doch gerade eben am Telefon gesagt, dass man keine Stellung nehme und ich hier auch nicht recherchieren dürfe. Ich sage, das Goethe-Institut sei meines Wissens ein offenes Haus, die Bundesrepublik ein Land, das für Medien transparent sein wolle. Nein, ich müsse jetzt sofort gehen, sagen die Sprecherinnen. "Verlassen Sie bitte sofort unser Haus!"

Student: "Ich hege keinen Hass gegen die Deutschen"

Nikos Velonis, der Deutsch-Student, und ich schauen uns bedröppelt an und beschließen, unser Gespräch draußen weiter zu führen. Die Leute im Goethe-Institut seien schockiert darüber, dass die Stimmung zwischen Deutschland und Griechenland so eskaliere und sie zum Gegenstand dieses Konflikts geworden seien, glaubt Velonis.

"Ich habe auch zwei Großväter im Krieg verloren", sagt der Ökonom. "Aber ich hege keinen Hass gegen die Deutschen. Ich bin gegen diese Art, so zu denken wie die Tsipras-Regierung. Das hilft uns in unserer schwierigen Lage auch kein bisschen weiter, das ist das Schlimme."

(mar)
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