Mclean Wahlkämpfer auf Distanz zu Washington

Mclean · Am 4. November sind Senatswahlen in den USA. Der Parteienstreit in der Hauptstadt frustriert die Wähler - darauf reagieren die Kandidaten.

Mark Robert Warner und Ed Gillespie: Wahlkämpfer auf Distanz zu Washington
Foto: dpa, AFP

Team Warner ist schnell. Es dauert keine fünf Minuten, da flimmert schon eine Richtigstellung über den Bildschirm des Smartphones. Dass Senator Mark Robert Warner in 97 Prozent aller Fälle im Sinne Barack Obamas stimme, sei Schwindel, bewusste Irreführung. "Wer sich Warner als Mitglied im Politbüro des Präsidenten vorstellt, der liegt völlig daneben", heißt es in der E-Mail seines Pressestabs.

Es ist der übliche, angriffslustige Ton amerikanischer Wahlkämpfe. Der digitale Konter gegen Ed Gillespie, den republikanischen Herausforderer. Der hat, während eines Streitgesprächs mit seinem Gegner, gerade einen seiner Standardsätze heruntergespult: Der Demokrat Warner ergreife zu 97 Prozent Partei für Obama. Worauf Moderator Chuck Todd mit leiser Ironie zuspitzt: "Seid ihr Burschen eigentlich Geiseln eurer Spitzenleute?" Gillespie und Warner verneinen vehement. "Mein Rivale sieht alles durch die Parteibrille", lästert Warner. "Ich dagegen bin ein radikaler Zentrist, ich bin ein Problemlöser."

Das Beschwören der Mitte ist die Grundmelodie von US-Wahldebatten. Nur dass beide Kandidaten im Senatsduell des Bundesstaats Virginia in diesem Herbst lauter singen als sonst. Beide wissen, wie wenig die Bürger vom Grand Canyon namens Washington halten, von den Parteienschluchten des Kongresses, die überfällige Kompromisse auf den Reformbaustellen verhindern. Beide sind aber keine Reformer, sondern alte Hasen, Polit-Profis, die sich auf eingefahrenen Gleisen bewegen. So steril das Ambiente wirkt im Büroklotz einer Geschäftsbank in McLean, einer Satellitenstadt Washingtons, so einstudiert klingt, was sie zu sagen haben.

Gillespie versucht, Warner als treuen Fußsoldaten Obamas, des unpopulär gewordenen Präsidenten, zu porträtieren. Warner erinnert daran, dass Gillespie zu den Beratern George W. Bushs zählte, der Nummer 43 im Oval Office, die mindestens genauso unbeliebt war, wie es die Nummer 44 im Augenblick ist. "Zwei Kriege auf Kreditkarte geführt, dazu Steuersenkungen, die wir uns nicht leisten konnten", fasst er die Ära Bush zusammen.

Warner hat ein Mobilfunkunternehmen gegründet und ein Millionenvermögen gescheffelt, als er es verkaufte. Er gibt den Wirtschaftskompetenten, bei dem eher Zufall ist, zu welchem Wappen er sich bekennt, zum Esel der Demokraten oder zum Elefanten der Republikaner. Gillespie erzählt von seinem Großvater, der aus Irland kam und sich mit Putzen durchschlug.

"Mein Gott, wie öde, immer nur der Blick in den Rückspiegel", stöhnt Mark L. Keam, als die Diskussion gelaufen ist. Der Mittvierziger sitzt für die Demokraten in der Abgeordnetenkammer Virginias, seine Eltern stammen aus Südkorea. Die alte Garde solle langsam Platz machen für jüngere, originellere Köpfe.

Szenenwechsel. Campbell Springs, eine Farm im Chesterfield County in der Nähe von Richmond. Republikanisches Herzland. Auf einer Wiese weiden Pferde, bauchige Pick-ups parken im Schlamm vor einem sporthallengroßen Zelt. Eine Kapelle spielt Dixie-Klänge, es gibt Freibier und Spanferkel. Mark Leonard, der Sheriff, hat zum "Pig Roast" geladen, einer Art Kirmes mit einer kleinen Portion politischer Werbung: Keine Rede darf länger sein als zwei Minuten. Leonard trägt ausgebeulte Jeans, den blankpolierten Amtsstern hat er zu Hause gelassen. So lässig sich der Mann gibt, die Party dient allein einem Zweck - seiner Wiederwahl. Ein Sheriff muss sich alle vier Jahre einem Votum stellen. Wenn nicht alles täuscht, stößt das lokale Rennen auf mehr Interesse als die Frage, wer Virginia im Senat vertreten soll. 1500 Gäste, schätzt Leonard, sind gekommen.

Leonard war 30 Jahre beim Militär, heute unterstehen ihm rund 300 Polizisten, zwei Gefängnisse und 15 Gerichtssäle. Fragt man ihn nach seinen Prioritäten, nennt er zuerst den Widerstand gegen strengere Waffenkontrollen. "Die bösen Buben kommen immer an Waffen, also kannst du keine Gesetze erlassen, die den Guten ihre Knarren wegnehmen." Dass die zehn biblischen Gebote nicht mehr im Gerichtssaal hängen, würde er ändern.

So konservativ Leonard klingt, er weiß, die Leute mögen es nicht, wenn man sich zu eindeutig mit einer Partei identifiziert. "Ich bin ein Sheriff, der zufällig Republikaner ist", betont er. "Bin ich ein republikanischer Sheriff? Nein, ganz gewiss nicht."

(RP)
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