Berlin Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Edathy

Berlin · Die Staatsanwaltschaft Hannover hat Anklage gegen den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy erhoben - wegen des Besitzes kinderpornografischer Fotos und Videos. Dieses angeblich strafbare Material soll er im Internet heruntergeladen haben. Als hätte der frühere Innenexperte Edathy von dem Schritt der Ermittler geahnt, hatte er im sozialen Netzwerk Facebook noch am Tag zuvor gedichtet: "Das Beste an 'nem Urteil sei / So sagt man / Es macht ziemlich frei ..." Doch als gestern die Nachricht von der Anklageschrift schon durch die Medien ging, bevor das Landgericht Verden den Eingang überhaupt bestätigt hatte, ließ er seinen Anwalt sogleich insistieren: Erneut seien Informationen an Medienvertreter weitergegeben worden, bevor man ihn selbst davon in Kenntnis gesetzt habe.

Gut 5000 Interessenten hält der unter Kinderporno-Verdacht stehende Politiker seit Monaten via Internet über seine Sicht der Dinge auf dem Laufenden - mal zynisch, mal spöttisch, auf jeden Fall aber mit Unschuldsbewusstsein. Einer größeren Öffentlichkeit war der Innenexperte aus Niedersachsen aufgefallen, als er den Untersuchungsausschuss zur Aufklärung des Behördenversagens beim rechtsextremistischen NSU-Terror leitete. Das Recht der ersten Befragung von Zeugen nahm er zuweilen in schneidend-anklagendem Ton wahr. Weitere Karriereschritte schienen vorgezeichnet. Doch bei der Postenvergabe der großen Koalition ging er leer aus. Der Grund führte zum Rücktritt des damaligen Bundeslandwirtschaftsministers Hans-Peter Friedrich (CSU): Der hatte nämlich als Innenressortchef dem SPD-Chef Sigmar Gabriel am Rande der Koalitionsverhandlungen gesagt, dass gegen Edathy etwas vorliege.

Wurde auch Edathy vor Ermittlungen gewarnt? Und warum ließ das Bundeskriminalamt die Nacktbild-Kundenliste mit Edathys Namen zwei Jahre liegen, bevor es zu ermitteln begann? Weitere Fragen kamen hinzu; sie haben inzwischen zu einem Untersuchungsausschuss geführt. Edathy klagt seinerseits, weil seine Büro- und Wohnräume schon vor Aufhebung der Immunität durchsucht worden seien.

Zur Sache selbst besteht Edathy darauf, dass der Besitz der bei ihm gefundenen Bilder nackter Jungen keine Straftat darstelle, da diese nicht pornografisch seien. In der Kunstgeschichte habe der Kinder- und Jugendakt eine lange Tradition. "Man muss daran keinen Gefallen finden, man darf es aber", sagte er in einem Interview. Die Staatsanwaltschaft ist offenbar zu einer anderen Bewertung gekommen. Überdies sollen von Edathys Bundestagslaptop Seiten mit eindeutig strafbaren Kinderporno-Inhalten aufgerufen worden sein.

Bis 15. August habe er nun Zeit, sich zu äußern, teilte Edathys Anwalt mit. Danach entscheide das Gericht, ob es zum Prozess komme.

(may-)
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