Düsseldorf Hetzjagd-Prozess: Eklat nach Urteil

Düsseldorf · Siebeneinhalb Jahre Haft hat das Landgericht am Dienstag wegen einer tödlichen Hetzjagd gegen zwei Schläger verhängt. Kurz nach dem Urteil stürmte der Bruder des Opfers (24) auf die Täter los, Zuschauer stießen Todesflüche gegen die Verurteilten aus.

Trauerfeier für Ömer H.
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Dramatische Szenen lieferten Bruder und Schwester des getöteten Ömer H. am Dienstag erneut im Landgericht. Der 24-Jährige war im November 2011 nach einem Disko-Streit von zwei Angreifern (23 und 24) quer durch das Kö-Center gehetzt und in eine Schaufensterscheibe gestoßen worden, deren Glas zerbrach. Ömer H. erlitt dadurch tödliche Wunden am Hals. Die geständigen Täter wurden wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu je siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt.

Die Geschwister des Opfers drehten danach plötzlich durch. Der Bruder (31) stürmte auf die Angeklagten los, wurde von Justizkräften im Saal überwältigt. Seine Schwester rief ihm schluchzend zu: "Warum hast du ihn nicht umgebracht! Das tut so weh! Ich will auch jemand töten!" Zitternd am ganzen Leib wurde das Geschwisterpaar dann aus dem Saal geführt und von Justizkräften betreut.

Todesflüche von Zuschauern

Mehr als zwanzig Einsatzkräfte von Polizei und Justiz waren nötig, um einen Teil des Erdgeschosses im Landgericht dann komplett abzuriegeln. Todesflüche von Zuschauern in Richtung der Anklagebank hatten die erneute Eskalation gestern ausgelöst. "Ihr Hurensöhne, verreckt in der Zelle", hallte es nach dem Urteil aus dem Publikum.

Schon zu Prozessbeginn waren Mitte April viele Freunde und Bekannte des jungen Familienvaters ins Justizzentrum gekommen. Als Bruder und Schwester von Ömer H. am zweiten Prozesstag erstmals die Videoaufnahmen der Tat aus dem Kö-Center sahen, rasteten beide damals aus. Ömers Bruder wollte auf die Angeklagten losstürmen, wurde von Justizwachtmeistern überwältigt.

Auch seine Schwester (26) musste damals aus dem Saal geführt werden. Nach diesem Eklat und dem folgenden Tumult, der erst durch Polizeikräfte beendet wurde, bat die Familie des Opfers, die als Nebenkläger den Prozess miterlebte, in einem offenen Brief um Verständnis für ihre emotional schwierige Situation. Gestern, am Schlusstag der Verhandlung, waren neben den Eltern und der Witwe des Getöteten erstmals auch dessen Geschwister wieder im Saal.

Spende an Kinderhospiz

Dabei wurde bekannt, dass der 23-jährige Angeklagte neben dem Geständnis auch Reue bewiesen und als Täter-Opfer-Ausgleich 10.000 Euro an die Familie von H. gezahlt hatte. Den Betrag wollen die Hinterbliebenen ans Kinderhospiz Regenbogenland spenden — im Namen von Ömer H., "weil er Kinder so sehr liebte", so die Anwälte der Opferfamilie. Staatsanwalt Matthias Ridder hatte für die geständigen Täter je acht Jahre Haft gefordert, weil sie Ömer H. noch schlugen und traten, als er mit dem Hals bereits in den Glassplittern des Schaufensters steckte. Das Gericht folgte diesem Antrag weitgehend und sprach der Opferfamilie insgesamt weitere rund 6000 Euro zu, die die Täter nun zahlen sollen.

Erst nach dem Urteil mussten die Justizwachtmeister im Saal sowie weitere Polizeibeamte, die mit dem Publikum hinter hohen Scheiben aus Sicherheitsglas saßen, dann einschreiten. Die Angeklagten wurden über einen hausinternen Korridor, der vom Gerichtssaal zum Hausgefängnis führt. Das Urteil gegen sie ist noch nicht rechtskräftig.

(RP/top/ac/jco)
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