Meerbusch 100 Jahre St. Martin

Meerbusch · Im Jahr 1912 organisierte Volksschulrektor Klaus Hellmich in Büderich den ersten St.-Martins-Zug. Auch in Strümp begann die Tradition 1912. Dort feiert das Martinskomitee heute sein 100-jähriges Bestehen.

 Brachte den Martinszug nach Büderich: Theodor Hellmich.

Brachte den Martinszug nach Büderich: Theodor Hellmich.

Foto: Hellmich

Im Jahr 1912 organisierte Volksschulrektor Klaus Hellmich in Büderich den ersten St.-Martins-Zug. Auch in Strümp begann die Tradition 1912. Dort feiert das Martinskomitee heute sein 100-jähriges Bestehen.

 Dieses Jahr eine Jahrhundertgeste: Der Heilige Martin hebt auf seinem Pferd grüßend die Hand.

Dieses Jahr eine Jahrhundertgeste: Der Heilige Martin hebt auf seinem Pferd grüßend die Hand.

Foto: Woitschützke

Auf der Obstwiese des Meerhofs in Strümp geschehen merkwürdige Dinge. An einem Abend im November des Jahres 1912 versammelt sich das ganze Dorf zwischen den Apfelbäumen, singt Lieder über eine Begebenheit, die sich gut 1600 Jahre zuvor zugetragen hat, Kinder schwenken selbst gebastelte Laternen durch den Herbstabend. Solch einen Umtrieb gab es noch nie in Strümp. Ein Mann blickt lächelnd auf die Szenerie: Der Pächter des Meerhofs, Hugo Schroers. Elf der Kinder sind seine eigenen. Er schenkt allen Kindern Äpfel von seinen Bäumen — und ahnt nicht, dass er an diesem Abend eine Tradition begründet hat.

 Tagebucheintrag vom 10. November 1910 über den ersten Martinszug.

Tagebucheintrag vom 10. November 1910 über den ersten Martinszug.

Foto: Hellmich

Nun gilt, gerade am Niederrhein, schnell etwas als Tradition, was mehr als einmal stattfindet. Doch das Martinskomitee Strümp kann zu Recht auf sein 100-jähriges Bestehen verweisen — was heute in den Räumen der Freiwilligen Feuerwehr mit geladenen Gästen gefeiert wird. Eher zufällig stolperte Klaus Hellmich hingegen über die Geschichte des Büdericher Martinszuges. Er las in den Tagebüchern seines Großvaters — und stieß auf einen Eintrag, in dem er den ersten Zug im Jahr 1912 schildert.

 Brachte den Martinszug nach Strümp: Hugo Schroers.

Brachte den Martinszug nach Strümp: Hugo Schroers.

Foto: Martinskomitee

Die Geschichte des Martinszuges in Strümp haben Schroers' Nachfolger genau festgehalten. "Bis 1922 blieb Schroers der Macher hinter dem St. Martinsfest", weiß Lothar Beseler, heute Präsident des Martinskomitees. Dann ging die Organisation auf den damals neuen Schulleiter der katholischen Volksschule über. 37 Jahre blieb Illmann Leiter des Martinskomitees. Bauern unterstützten ihn. So fuhr Johannes Theissen vom Strümper Hof mit seinem Pferdewagen von Hof zu Hof, bat um Getreide. Das wurde gemahlen und in der einstigen Bäckerei Baumeister an der Xantener Straße zu Weckmännern gebacken. Ohne Rosinen. Dafür mit Korinthen. Und so ist es auch noch heute. Zwischenzeitlich war das mal anders. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Not groß war. Da gab das Martinskomitee lieber Strümpfe statt Süßigkeiten — und kam so der guten Tat des Heiligen Martin noch ein bisschen näher.

Als 1957 Illmann in den Ruhestand ging, wurde sein Nachfolger an der Schule zugleich Vorsitzender des Komitees. Rolf Cornelissen erweiterte den Kreis der Helfer, nahm sie mit auf Fahrten nach Frankreich ("die wurden aber privat bezahlt, nicht mit dem gesammelten Geld"), hatte die Idee zu einem Nachtreffen für die Helfer — längst ebenfalls eine gute Tradition in Strümp — und exportierte nach der Wende den katholischen Martinsbrauch gar ins protestantische Dörfchen Freital nahe Dresden. "Da standen wir in einem Heim unter der Gemeinschaftsdusche und schmetterten Martinslieder", erinnert sich Cornelissen. Mit eine Rolle mag gespielt haben, dass die Heimausstattung aus Volkseigenen Betrieben doch arg deprimierenden Charakter hatte, dem Komitee aber damals auch ein Strümper Weinhändler angehörte, der einen Schwermut vertreibenden und Zunge lockernden Tropfen dabei hatte.

Mit einem Anliegen konnte sich Cornelissen, dessen Volksschule in den 60ern in Martinus-Schule umbenannt wurde, aber nicht durchsetzen. Dass seine Nachfolgerin in der Schule auch neue Vorsitzende des Martinskomitees werden sollte. Das lehnte das reine Männergremium ab. Nicht, weil es sich um Chauvinisten handelt, im Gegenteil, betont der Geschäftsführer des Martinskomitees, Michael Grimm. "Uns geht es darum, dass gerade die Väter sich zu diesem Ereignis bewusst für Kinder einsetzen."

(RP/ac)
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