Meerbusch Die Wahrheiten über den NS-Bürgermeister

Meerbusch · Welche Rolle spielte Hugo Recken während der NS-Zeit?

 War von 1934 bis 1945 Bürgermeister von Osterath, wurde nach dem Krieg als "entlastet" eingestuft und übte das Amt erneut aus.

War von 1934 bis 1945 Bürgermeister von Osterath, wurde nach dem Krieg als "entlastet" eingestuft und übte das Amt erneut aus.

Foto: Stadtarchiv Meerbusch

Hat der Osterather NS-Bürgermeister Hugo Recken, nach dem in Meerbusch eine Straße benannt ist, in den Jahren 1934 bis 1945 versucht, seine Möglichkeiten als Bürgermeister zu nutzen, um individuell zu helfen? Davon ist Michael Regenbrecht, Archivar der Stadt Meerbusch, nach monatelangem Quellenstudium und Zeitzeugenbefragungen überzeugt. "Recken trat aus existenziellen Gründen in die NSDAP ein", erklärt Regenbrecht, "nicht, weil er über Nacht Nationalsozialist geworden war."

Oder hat Recken "das nationalsozialistische Unrechtsregime aus freien Stücken gestützt", wie es der Historiker Anselm Faust vermutet. Er sagt: "Wer seit 1933 NSDAP-Mitglied und von 1934 bis 1945 Bürgermeister einer Gemeinde war, muss als aktiver Nationalsozialist angesehen werden; hätte er Vorbehalte gehabt und gezeigt, hätte er sein Amt sehr schnell verloren." In seinem Buch "Reichskristallnacht im Rheinland" zitiert Faust aus einem Schreiben Reckens, das er in Gestapo-Akten fand: "Es wird um Abschiebung des Juden gebeten", heißt es dort, bezogen auf den jüdischen Osterather Einwohner Julius Gutmann. Der wurde wenig später mit seiner Ehefrau Sabine ins KZ Theresienstadt deportiert.

Gestern Abend wurde im Hauptausschuss die 32-seitige Kurzfassung des "Abschlussberichts zur Person Hugo Recken" verlesen – nachdem Ende 2011 anlässlich der Verlegung von Stolpersteinen zur Erinnerung an deportierte jüdische Osterather eine öffentliche Debatte über den NS-Bürgermeister ausgebrochen war.

Gut 100 Minuten hörten sich die Politiker die Ausführungen von Regenbrecht, Robert Rameil (Vorsitzender Geschichtsverein) und dem stellvertretenden Staatsarchivdirektor a.D., Paul Hoffmann, an. Sie hörten viel entlastendes und wenig belastendes. So erklärte Hoffmann nach dem Studium der betreffenden Gestapo-Akte: "In dem Schreiben bittet Recken keineswegs ,um Abschiebung der Juden' nach Theresienstadt, sondern es geht ihm um einen Umzug nach Krefeld." Rameil berichtete über das Entnazifizierungsverfahren, in dem Recken zunächst als "Mitläufer" und nach einem von ihm angestrengten Berufungsverfahren 1949 als "entlastet" eingestuft wurde. "16 Zeugen sagten überwiegend für ihn aus", erklärte Rameil. In dem Urteil sind sechs Taten aufgeführt, die Recken laut "einwandfreien Zeugen" getan habe – beispielsweise, drei jüdische Einwohnerinnen vor den Nazis zu verstecken. "Gab es denn im Entnazifizierungsverfahren auch belastende Aussagen?", fragte der FDP-Fraktionsvorsitzende Klaus Rettig. Rameil erklärte, die habe es ebenfalls gegeben, aus Zeitgründen hätten seien sie nicht im Kurz-Abschlussbericht genannt. Sie sollen nachgereicht werden; die Politiker wollen in den nächsten Wochen weitere Fragen formulieren.

Hans-Joachim Gutmann (59), Großneffe von Julius Gutmann, war gestern aus Berlin zur Sitzung angereist: "Ich kann es nicht verstehen, dass man eine Straße nach einem NS-Bürgermeister benennt."

(RP)
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