Meerbusch Stadt lässt ein ganzes Haus verschwinden

Meerbusch · In Meerbusch kann ein ganzes Haus verschwinden, ohne dass ein Magier und Illusionist im Range eines David Copperfield seine Hände im Spiel gehabt hätte.

 Das Freilichtmuseum in Kommern war 1995 als Standort für das älteste Haus Osteraths im Gespräch.

Das Freilichtmuseum in Kommern war 1995 als Standort für das älteste Haus Osteraths im Gespräch.

Foto: LVR

Dabei handelt es sich nicht um ein alltägliches Wohnhaus, sondern um das älteste Gebäude Osteraths — fast 400 Jahre alt.

Zum Hintergrund: Als Mitte der 90-er Jahre die so genannte Westumgehung gebaut wurde, stand ein von außen unscheinbares niederrheinisches Hallenhaus im Weg — der so genannte Holzschneider-Hof. Experten der Abteilung für Denkmalpflege der Fachhochschule Köln untersuchten auf Anregung des Meerbuschers Professor Dr. Norbert Schöndeling das Alter der Eichenbalken aus der Dachwerkskonstruktion. Ergebnis: 1615 gefällt, spätestens 1616 verarbeitet.

Osterath sei 1642 während der Hessenkriege komplett abgebrannt. Nur dieses Dreikammerhaus etwas außerhalb habe die Wirren überstanden, referierte Schöndeling im März 1995 im Bau- und Liegenschaftsausschuss. Das Hallenhaus war so bedeutsam, dass es den Bau der Umgehungsstraße hätte verhindern können, wenn es im Jahr 1979 bei der Inventarisierung vom Landeskonservator nicht übersehen worden wäre, berichtete Schöndeling seinerzeit. Die Politik beschloss deshalb, den Abriss von Hand durchführen zu lassen, die kartografierten und nummerierten Balken zwischenzulagern und später an anderer Stelle originalgetreu mit Lehmflechtwerk wieder aufzubauen.

Gelagert wurden die Materialien am städtischen Bauhof in Büderich. Dort haben die Abrissarbeiten begonnen, weil in Strümp inzwischen ein neuer Baubetriebshof entstanden ist. Hans-Günter Focken (SPD) nutzte in der Sitzung des Stadtrats in Strümp jetzt die Gelegenheit, nach dem Verbleib der Balken zu fragen und erfuhr Erstaunliches. "Die Balken sind nicht mehr vorhanden", antwortete Bürgermeister Dieter Spindler.

Reste seien den Schützen in Schweinheim zum Bau einer kleinen Gedenkstätte überlassen worden. Dr. Just Gérard versteifte sich sogar zu der Aussage, am Bauhof hätten gar keine Balken gelagert, sondern Steine. Was wiederum die Ratsherrn Mike Kunze (CDU) und Wolf Meyer-Ricks (FDP) auf den Plan rief, die angaben, dort sehr wohl das Fachwerk des Holzschneider-Hofs gelagert gesehen zu haben.

Gérard ficht dies nicht an und setzte zu einem wortreichen Vortrag über die Vergänglichkeit von Holz an, der wiederum in seiner Behauptung mündete, auf dem Bauhof in Büderich seien Steine gelagert gewesen. Laut Rheinischer Post vom 23. März 1995 sollten allerdings die rund 11 000 Feldbrandziegel Verwendung bei der Ortskernsanierung Osterath finden und die Denkmalbehörde für die Dachziegel Interessenten benennen.

(RP)
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