Frank Bsirske "Neue Erbschaftsteuer brächte Milliarden"

Der Verdi-Chef spricht mit unserer Redaktion über seine Weihnachtspläne, die Tarifrunde im öffentlichen Dienst und weitere Einnahmequellen für den Staat.

Frank Bsirske: Stationen eines Berufsfunktionärs
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Was gibt es bei Ihnen an Heiligabend zu essen: Kartoffelsalat mit Würstchen oder aufwendiges Menü?

Bsirske Meine Frau und ich kochen gemeinsam. Es gibt Rehbraten mit einer leckeren Soße. Und anschließend machen wir es uns gemütlich.

Was wünscht sich der Verdi-Chef denn zu Weihnachten?

Bsirske Auf das Weltgeschehen bezogen eine ganze Menge. Ansonsten gehe ich davon aus, dass meine Frau meine Wünsche kennt. Das eine oder andere Buch dürfte es geben.

Gewünscht haben Sie sich ja auch einiges für den öffentlichen Dienst: 5,5 Prozent mehr für die Landesbeschäftigten, mindestens 175 Euro. Ganz schön viel angesichts der wirtschaftlichen Rahmendaten.

Bsirske Das liegt im Rahmen dessen, was andere Gewerkschaften fordern. Die Konjunktur wird nach allen Prognosen wieder zulegen. Zudem rechnen die Länder mit einer dreiprozentigen Steigerung der Steuereinnahmen im kommenden Jahr und vier Prozent 2016. Das schafft Raum, um den Rückstand bei der Bezahlung der Landesbeschäftigten auf Bund und Kommunen von immerhin 3,75 Prozent aufzuholen. Nur so bleibt der Staatsdienst für Fachkräfte attraktiv. Schon jetzt haben die Berufsfeuerwehren, der IT-Bereich, das Ingenieurwesen, aber auch der Krankenpflegebereich an den Unikliniken arge Probleme bei der Personalgewinnung.

Wie hoch muss das Ergebnis sein, um Sie zufriedenzustellen?

Bsirske Wichtig ist die soziale Komponente. Ein Referenzpunkt ist der Abschluss bei Bund und Kommunen. Da hat es einen Mindestbetrag gegeben. Mir ist schon klar, dass das auf Arbeitgeberseite nicht unbedingt Euphorie auslöst.

Jens Bullerjahn hat Ihnen vorgeworfen, durch die hohe Forderung gefährden Sie wichtige Investitionen etwa in Bildung. Macht die Verdi-Forderung unsere Kinder dümmer?

Bsirske (lacht) Diesen Mut zur intellektuellen Selbstverleugnung bringt selbst der Verhandlungsführer der Länder nicht auf. Tatsache ist, dass wir beides benötigen. Wir brauchen eine Lohnentwicklung, die den öffentlichen Dienst attraktiv hält. Und wir brauchen Investitionen in Infrastruktur und Bildung.

Aber die Länder müssen die Schuldenbremse einhalten. Wie soll das funktionieren?

Bsirske Die Steuereinnahmen sprudeln. Hinzu kommen weitere positive Entwicklungen — etwa die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaftsteuer. Bislang war Deutschland für große Vermögen und Erbschaften eine Steueroase. Wer von den Eltern eine Million Euro erbt, musste 74.000 Euro Steuern zahlen — ein Bruchteil dessen, was auf selbst erarbeitete Einkommen fällig wird. Wer Aktien im Wert von 100 Millionen erbte, konnte sich jeglicher Steuer entziehen. Im Ergebnis konnten sämtliche Millionärsdynastien steuerfrei ihre Konzernbeteiligungen vererben.

Das heißt, Sie versprechen sich einiges von einer Reform der Erbschaftsteuer?

Bsirske Da ist eine ganze Menge Luft nach oben. Wenn man aufschließt auf das Durchschnittssteuerniveau in der EU, dann sind das mehrere Milliarden an Steuermehreinnahmen. Und davon müssen dann auch Tarifbeschäftigte und Beamte profitieren.

Vor ein paar Jahren haben Sie noch gefordert, das Berufsbeamtentum abzuschaffen. Jetzt fordern Sie eine schnelle Übertragung eines Tarifabschlusses. Wie passt das zusammen?

Bsirske Wir reden über mehr als eine Million Menschen, die nicht abgekoppelt werden sollen. Deshalb die Forderung nach inhaltsgleicher Übertragung. Es gibt ja ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das besagt: Solange die Bundesregierung das deutsche Beamtenrecht nicht an europäisches Recht angepasst hat und am Streikverbot für Beamte festhält, ist die Tariflohnentwicklung für die Besoldungsentwicklung maßgeblich.

Die Praxis der Länder in der Vergangenheit ist eine andere. Nehmen Sie allein das Beispiel NRW, wo die Tariferhöhung nicht übertragen werden sollte.

Bsirske Der Verfassungsgerichtshof in NRW hat ja die Pläne der Landesregierung glücklicherweise gekippt. Der Druck auf die Regierung von Hannelore Kraft, den nächsten Abschluss eins zu eins zu übertragen, dürfte groß sein. Die Spreizung bei der Besoldung zwischen reichen Ländern wie Bayern und ärmeren wie Berlin oder Mecklenburg-Vorpommern liegt bei 18 Prozent. Das ist kontraproduktiv und führt dazu, dass Länder sich gegenseitig die Beschäftigten abwerben.

Beim Thema Fachkräfte setzen Sie auch auf die unbefristete Übernahme der Azubis. Minister Bullerjahn will keine bundesweite Regelung und hat angekündigt, dies solle den Ländern überlassen bleiben.

Bsirske Das wäre ein Signal, dass er an dieser Stelle für zusätzlichen Konfliktstoff sorgen will. Wir haben doch 2009 eine gute Regelung getroffen, auf der wir aufbauen könnten und die praktisch die unbefristete Übernahme nach bestandener Ausbildung garantiert. Wenn er diese aber nicht mehr will, dann werden wir Druck aufbauen.

Sie gelten aber in den Ländertarifrunden als zahmer Tiger. Dem Bürger ist es doch herzlich egal, ob seine Finanzunterlagen ein paar Tage länger liegenbleiben. Woher soll der Druck kommen?

Bsirske Ich setze auf die Vernunft der Arbeitgeber. Beim letzten Mal sind wir überraschend schnell fertig geworden, weil beide Seiten konstruktiv in die Verhandlungen gegangen sind. Das sollten wir wieder hinbekommen. Deshalb betreibe ich jetzt keine Angstpolitik mit wilden Streikdrohungen.

Bei den zeitgleichen Verhandlungen im Sozial- und Erziehungsdienst sind Sie forscher. Sie haben schon vor Beginn der Gespräche gesagt, ohne Streiks wird es nicht gehen.

Bsirske Es geht uns um die Aufwertung der sozialen Berufe. Wir reden hier über 50 Tätigkeitsmerkmale, für die wir höhere Eingruppierungen erreichen wollen. Das wird in sechs Wochen nicht gelöst werden können. Ich würde mir wünschen, dass es ohne Streiks geht. Aber die ersten Stellungnahmen des Verbands der kommunalen Arbeitgeber deuten darauf hin, dass es hier konfrontativer zugehen wird. Die Kolleginnen in den Kitas erwarten zu Recht gesellschaftliche Anerkennung. Und da müssen wir dann Druck aufbauen.

Wenn wie 2009 die Kitas mehr als zwölf Wochen lang geschlossen bleiben, dürfte der Ärger über Verdi groß sein.

Bsirske Ich bin mir sicher, dass die Eltern Verständnis für unsere Forderung haben. Sie wollen doch auch, dass motivierte Fachkräfte ihre Kinder betreuen.

Der VKA sagt, es habe eine deutliche Verbesserung 2009 gegeben. Stimmt das etwa nicht?

Bsirske Das ist eine erwartbare, interessengeleitete Reaktion. Die Aufwertungen von 2009 haben nicht ausgereicht. Dort wurden fast nur Nachteile ausgeglichen, die neu eingestellte Beschäftigte nach der Umstellung vom alten BAT auf den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes seit 2005 hatten, weil die Kommunen es verweigert haben, zeitnah auch eine neue Entgeltordnung zu vereinbaren . Ich habe vor drei Wochen mit einer stellvertretenden Kita-Leiterin aus Hannover gesprochen, die seit 29 Jahren im Beruf ist - und sie bekommt genauso viel Geld wie ihr Neffe, der gerade eine Chemielaborantenausbildung abgeschlossen hat. Da läuft doch etwas gehörig schief, und zwar nicht beim Gehalt des Chemielaboranten. Erzieherinnen und Sozialarbeiter sind pädagogische Facharbeiter und müssen wie Facharbeiter bezahlt werden.

Doch auch viele Kommunen sind in finanziellen Nöten. Woher soll das Geld stammen?

Bsirske Es ist richtig, dass wir eine radikale Reform der Bund-Länder-Finanzen benötigen. Ansonsten werden die Kommunen einige Dinge nicht mehr anbieten können. Es kann aber nicht sein, dass Fehler im System auf dem Rücken von Erziehern ausgetragen werden. Lohnverzicht wird es nicht geben.

Das Interview führte Maximilian Plück

(RP)
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