Düsseldorf Streit um Regulierung bei Autounfällen

Düsseldorf · Anwälte werfen Anbietern vor, Ansprüche von Kunden systematisch zu kürzen. Die Branche wehrt sich gegen die Vorwürfe.

Unfallopfer müssen nach Angaben von Anwälten mit systematischen Kürzungen durch Autoversicherer rechnen, und deshalb schlagen die Anwälte Alarm. Meist werden nach Erfahrung der Juristen kleine Beträge gestrichen.

So kürzte beispielsweise die HUK-Coburg nach einem unverschuldeten Unfall einem Lübecker Autofahrer rund 60 Euro aus der Reparaturrechnung. Bei einem Betroffenen aus Niedersachsen waren es 433 Euro, bei einem Autobesitzer aus Gummersbach 265 Euro. Viele andere Versicherer gehen angeblich genauso vor. Das bestätigt eine Forsa-Umfrage, die die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) in Auftrag gegeben hat. Die Schadenexperten zeichnen danach ein düsteres Bild der Regulierung. 52 Prozent geben an, dass diese sich in den vergangenen fünf Jahren "deutlich" verschlechtert habe, während 25 Prozent nur von einer "etwas" verschlechterten Lage ausgehen. Verkehrsanwälte, die mit mehr als 200 Schadenfällen pro Jahr besonders viel Erfahrung haben, kritisieren die Abwicklung der Versicherer sogar noch schärfer. Hier stellen sogar 80 Prozent der Befragten eine Verschlechterung fest. Insgesamt wurden 1072 Verkehrsanwälte bundesweit befragt.

Früher legten die Autoversicherer höhere Schäden einfach auf die Prämien um. Doch der Wettbewerb hat vor allem aufgrund von Vergleichsportalen deutlich zugenommen. Zudem erwirtschaften die Versicherer weniger Zinsen aus Rücklagen. Damit sie ihre Prämien trotzdem niedrig halten könnten, werde beim Schaden knallhart gespart, glauben die Anwälte. "Es gibt zwei Stoßrichtungen", sagt der Dresdner DAV-Anwalt Christian Janeczek, "zum einen versuchen die Versicherer, Sachverständige und Anwälte ganz aus der Regulierung zu drängen, indem sie den Unfallopfern ein vermeintliches Rund-um-Sorglos-Paket versprechen, wenn der Kunde ihnen alles überlässt." Fährt der unschuldige Kunde hingegen doch zu seiner Werkstatt und beauftragt einen Sachverständigen und Anwalt, werde gekürzt, was das Zeug halte. Als Haupttäter haben die Anwälte klar Marktführer HUK-Coburg identifiziert. So führt der größte Autoversicherer das Negativ-Ranking mit sage und schreibe 73 Prozent der Nennungen deutlich an. Dass die Kürzungen immer wieder auf tönernen Füßen stehen, zeigt die Erfahrung der Anwälte. Denn bei Klageeinreichung werde gezahlt. "Unter dem Strich dürfte sich das für die Versicherer lohnen, denn nur wenige Betroffene kämpfen um ihr Recht", sagt der Osnabrücker Verkehrsjurist Klaus Kohake.

Die HUK-Coburg wehrt sich energisch gegen diese Vorwürfe. "Unsere Kunden beschweren sich seltener als marktüblich, und wir führen seltener Prozesse mit Kunden oder Anspruchstellern", so ein Sprecher des Unternehmens.

Die Erfolgsrechnung der Kfz-Haftpflichtversicherer hat sich seit dem Jahr 2014 so verschlechtert, dass Kosten und Schäden heute die Grenze von 100 Prozent überschritten haben. Die Branche ist laut dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in die roten Zahlen gefahren. Trotzdem wird laut GDV die große Masse der Schäden "schnell zur Zufriedenheit der Geschädigten reguliert" und zwar "ohne Anwälte". Kritik resultiere daher nur aus der Erfahrung mit unzufriedenen Autobesitzern.

Dem widerspricht Jörg Elsner, Vorsitzender der DAV-Verkehrsanwälte: "Der Geschädigte kann nicht darauf vertrauen, dass ihm freiwillig das gezahlt wird, was ihm zusteht." Bei den Versicherern werde die Schadenregulierung heute nicht nach juristischen, sondern nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt. Elsner: "Unsere regelmäßigen Umfragen zeigen, welche Versicherer hier besonders auffallen."

(RP)
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