Interview mit Jürgen Wasem Gesundheitsökonom möchte weniger Apotheken in Städten

Düsseldorf (RP). Vor dem Apothekertag, der am Donnerstag in Düsseldorf beginnt, hat der Gesundheitsökonom und Politikberater Jürgen Wasem ein neues Vergütungssystem für Apotheken angeregt, das die Zahl der Apotheken verrringern und diese besser auf Stadt und Land verteilen soll.

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Foto: ABDA

"Wenn wir die Zahl der Apotheken reduzieren, brauchen wir eine Regulierung, die sicherstellt, dass das Betreiben einer Apotheke auf dem Land attraktiv ist", sagte er unserer Redaktion. Möglicherweise müsse man sich neue Vergütungssysteme überlegen, die stärker nach Stadt und Land differenzieren", so Wasem.

In den Großstädten gibt es nach Einschätzung des Experten Spielraum für weniger Apotheken: "Da hat das Wort Hausapotheke eine ganz eigene Bedeutung, nämlich, etwas überspitzt gesagt, in jedem Haus befindet sich eine Apotheke. Auf dem flachen Land sieht das anders aus." Im Gespärch mit unserer Redaktion sprach der Gesundheitsexperte nicht nur über die Apothekendichte in Deutschland, sondern auch über die gute Beratung von Apotheken-Ketten und die Rabattverträge.

Herr Wasem, Sie sind einer der renommierten Gesundheitsökonomen Deutschlands. Brauchen wir wirklich 21 500 Apotheken hierzulande?

Wasem International gesehen sind wir zwar nicht Spitzenreiter. Aber wir haben eine überdurchschnittliche Apothekendichte. Es ist fraglich, ob man so viele Apotheken braucht.

Wie viel Luft ist denn im Markt?

Wasem In den Großstädten haben wir Spielraum für weniger Apotheken. Da hat das Wort Hausapotheke eine eigene Bedeutung, nämlich, überspitzt gesagt, in jedem Haus ist eine Apotheke. Auf dem Land sieht das anders aus. Wenn wir die Zahl der Apotheken reduzieren, brauchen wir eine Regulierung, die sicherstellt, dass das Betreiben einer Apotheke auf dem Land attraktiv ist. Möglicherweise muss man sich da neue Vergütungssysteme überlegen, die stärker nach Stadt und Land differenzieren.

Wie könnten Apothekenketten den Markt verändern?

Wasem Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Deutschland keine Apotheken-Ketten zulassen muss. Kämen sie an den Markt, dann bekämen wir kurzfristig eine Zunahme von Apotheken, denn solche Ketten würden wohl auch in Supermärkten Filialen eröffnen. Langfristig würden Ketten aber zu einer Bereinigung des Marktes und weniger Apotheken führen.

Die Apotheker kämpfen heftig gegen die Zulassung von Ketten. Welche Konsequenzen hätten die Ketten denn für Patienten?

Wasem Die Erfahrungswerte aus Ländern, in denen Apothekenketten zugelassen sind, wie Großbritannien und Norwegen, zeigen, dass keines der Argumente der Apotheker gegen Ketten zutreffend ist. Die Beratungsqualität ist nicht schlechter. Auch die Anstrengungen für Arzneimittelsicherheit sind nicht schlechter. Das Sortiment ist gleich breit. Im Gegenteil: Ich sehe Vorteile der Kette. Eine Kette muss sich besonders um Qualität bemühen, weil sie bei Pannen zentral ihren Ruf als Kette verlieren kann.

Wie haben Versandapotheken wie DocMorris und andere den Markt verändert?

Wasem Das bisherige Nebeneinander ist tragfähig. Die Apotheken hatten die Sorge, dass sich die Versandapotheken bestimmte hochpreisige Sortimente herausfischen. Das ist durch eine gute Regulierung aber entschärft.

Birgt die Selbstmedikation aus dem Internet Gefahren?

Wasem Im illegalen Bereich gibt es natürlich Gefahren. Das legale Einlösen rezeptpflichtiger Medikamente per Internet ist aber unproblematisch. Man kann aber davon ausgehen, dass durch den Versandhandel im Internet die Hemmschwelle für nicht verschreibungspflichtige Arzneien gesunken ist.

Die Arzneiausgaben gelten als Kostentreiber im Gesundheitswesen. Inwiefern sind daran die Apotheker beteiligt?

Wasem Wir haben im internationalen Vergleich hohe Spannen für den Handel. Das ist auch unumstritten. Es muss darüber diskutiert werden, inwieweit hier noch Wirtschaftlichkeitsreserven liegen.

Sparen die Krankenkassen bei Rabattverträgen für Arzneien zu Lasten der Apotheker?

Wasem Das ist so. Es gibt ja auch Verhandlungen zwischen Krankenkassen, damit der Aufwand für die Apotheker gesondert vergütet wird. Das halte ich auch für richtig. Wenn die Produkte wegen der Rabattverträge häufig wechseln, entsteht ein Mehrberatungsbedarf.

Eva Quadbeck führte das Interview.

(RP)
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