Interview mit Helmut Linssen RAG-Stiftung muss mehr Geld zurücklegen

Düsseldorf · Der Finanzvorstand der Kohle-Stiftung ist trotz Minizinsen entspannt, die Kapitalanlagen der Stiftung laufen gut. Für die Sorgenkinder von NRW kann sie nichts tun: Die Portigon-Geige darf sie nicht kaufen, an der Steag hat sie kein Interesse.

 Helmut Linssen, Finanzvorstand der RAG-Stiftung.

Helmut Linssen, Finanzvorstand der RAG-Stiftung.

Foto: dpa, jst fpt

Herr Linssen, Sie sind Finanzvorstand der RAG-Stiftung, die ab 2018 für die Ewigkeitslasten des Bergbaus aufkommen muss. Die Stiftung leidet unter den Minizinsen. Um nach 2018 genug Geld zu haben, müssen Sie mehr zurücklegen. Wie viel?

Linssen Durch die niedrigen Zinsen steigt der Rückstellungsbedarf - er lag Ende 2014 bei über 20 Milliarden Euro. Eine Reduzierung des Zinssatzes von etwa einem Prozent zum Jahresende 2014 auf 0,5 Prozent würde bei einer ewigen Rente eine Verdoppelung des Rückstellungsbedarfs bedeuten. Rein rechnerisch würde bei null Prozent Zinsen unser Rückstellungsbedarf bis ins Unendliche steigen. Aber entscheidend ist, dass wir die Aufwendungen für Ewigkeitslasten ab 2019 tragen können. Fest steht, wir nehmen schon heute im Jahr mehr ein, als wir ab 2019 jährlich ausgeben müssen.

Der Rückstellungsbedarf könnte weiter steigen. Altöl samt dem hochgiftigen Stoff PCB gelangt aus Stollen in das Grundwasser.

Linssen Wir nehmen das Thema PCB in Bergwerksstollen zusammen mit der RAG sehr ernst. Es gibt einen sehr verantwortungsvollen Umgang mit dem Thema. Wir warten ab, was das von der Landesregierung in Auftrag gegebene Gutachten ergibt.

Wie weit sind Sie bei den Rückstellungen? Machen Sie sich Sorgen?

Linssen Nein, ich bin ganz gelassen. Unser Vermögensaufbau kommt gut voran. Aktuelle Zahlen präsentieren wir Anfang Juni. Unter anderem haben wir von der günstigen Kursentwicklung bei Evonik profitiert, aber auch unsere Kapitalanlagen erwirtschaften sehr gute Erträge. Zudem liegen die jährlichen Verpflichtungen, die wir ab 2019 unter anderem für das Abpumpen des Grubenwassers haben, voraussichtlich bei rund 220 Millionen Euro. Die Summe können wir alleine aus den jährlichen Dividenden-Zahlungen von Evonik bestreiten.

Evonik will für 2014 einen Euro Dividende zahlen. Reicht Ihnen das eigentlich? Schließlich hat der Konzern derzeit einen guten Lauf.

Linssen Ein Euro pro Aktie ist doch ein schöner Betrag für die Evonik-Dividende. Evonik wird nicht überfordert und die Aktionäre erhalten einen spürbaren Anteil am Unternehmensgewinn. Verlässlichkeit und Kontinuität sind uns außerdem lieber als mal eine hohe Dividende, mal eine niedrige.

Auch die Evonik-Aktie entwickelt sich gut. Ist jetzt Zeit, Kasse zu machen?

Linssen Langfristig will die RAG-Stiftung ihren aktuellen Anteil von rund 68 Prozent auf 25,1 Prozent senken, um das bestehende Konzentrationsrisiko zu reduzieren. Doch mit dem Verkauf haben wir keine Eile. Wenn wir Anteile verkaufen, werden wir das Schritt für Schritt und kursschonend tun.

Die Stiftung hat begonnen, ihr Vermögen zu streuen. Sie sind bei Zooplus, Röder Zeltsysteme, dem Autozulieferer Hahn und R. Stahl eingestiegen. Das wirkt etwas beliebig.

Linssen Das ist es ganz und gar nicht. Wir haben eine klare Strategie für unsere Kapitalanlagen und unsere Beteiligungen. Wir legen unser Geld satzungsgemäß möglichst sicher und rentierlich an. Zudem arbeiten wir nach einer klaren, vom Kuratorium genehmigten Kapitalanlagerichtlinie: Demnach dürfen wir bis zu 30 Prozent in Aktien, bis zu 20 Prozent in Private Equity bzw. Beteiligungen und bis zu 15 Prozent in Immobilien anlegen.

Wo Sie einsteigen, das suchen Stiftungsvorstand Müller und Sie aus?

Linssen Ganz so einfach läuft es bei uns nicht. Unsere Beteiligungspolitik läuft systematisch über drei Vehikel: Erstens investieren wir global und breit diversifiziert in Private-Equity- und Infrastruktur-Fonds. Zweitens haben wir einen eigenen Fonds aufgelegt, Maxburg Beteiligungen, der für uns exklusiv Übernahmeziele ausguckt und realisiert. Bei der Zooplus AG übrigens sehr erfolgreich: Die Aktie hat sich seit unserem Einstieg fast verdoppelt. Und drittens haben wir eine Beteiligungsgesellschaft, die sich auf die Bereiche Maschinenbau, Automation und Industriedienstleistungen konzentriert.

Die RAG-Stiftung wird gerne als Retter für NRW-Sorgenkinder ins Spiel gebracht. Könnten Sie die Portigon-Kunst oder Portigon-Geige kaufen, um sie im Land zu halten?

Linssen Insbesondere die von Herrn Zimmermann bespielte Geige ist ein tolles Instrument. Es wäre ein Verlust, wenn sie nicht mehr in den Konzertsälen zu hören wäre. Doch die Satzung der RAG-Stiftung ist strikt: Wir dürfen Kultur nur fördern, soweit sie im Zusammenhang mit dem deutschen Steinkohlenbergbau steht.

Und die Steag? Den Eigentümern, sieben Stadtwerken, scheint die Luft auszugehen. Könnten Sie sich vorstellen, Steag zu übernehmen?

Linssen Nein, diese Frage stellt sich für uns nicht. Die Steag gehört leider zu den Unternehmen, denen die Energiewende zu schaffen macht. Umso mehr freut es mich, wenn der Aufsichtsratsvorsitzende der Steag, Guntram Pehlke, davon spricht, dass die Steag stabile Ergebnisse erwirtschaftet.

(RP)
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